Grand Budapest Hotel

Abenteuer | USA/Deutschland 2014 | 101 Minuten

Regie: Wes Anderson

Die Geschichte eines fiktiven Grand Hotels in einem pittoresk-imaginären Land, erzählt aus der Perspektive eines Pagen, der auf verzwickten Wegen zum Erben des Anwesens wird. Der fabulierfreudige Film entfaltet ein kunstvoll verschachteltes Spiel mit verschiedenen Zeitebenen. Inszeniert als überquellender Miniaturkosmos, wird er getragen von seiner ausgeklügelten Ausstattung, fantasievollen Kamerafahrten, lakonischem Humor, zahlreichen filmischen Anspielungen und glänzenden Darstellern. Die schwungvoll und leicht melancholisch ausgemalte, bonbonfarbene Fantasiewelt voller dunkler Einschüsse irrealisiert die europäische Geschichte des 20. Jahrhunderts und überführt sie zugleich in einen Möglichkeitsraum. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
THE GRAND BUDAPEST HOTEL
Produktionsland
USA/Deutschland
Produktionsjahr
2014
Produktionsfirma
Scott Rudin Prod./Indian Paintbrush/Studio Babelsberg/American Empirical Pic.
Regie
Wes Anderson
Buch
Wes Anderson
Kamera
Robert D. Yeoman
Musik
Alexandre Desplat
Schnitt
Barney Pilling
Darsteller
Ralph Fiennes (M. Gustave) · Tony Revolori (Zero Moustafa (jung)) · F. Murray Abraham (Zero Moustafa (alt)) · Mathieu Amalric (Serge) · Adrien Brody (Dmitri)
Länge
101 Minuten
Kinostart
06.03.2014
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Abenteuer | Drama | Komödie
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Heimkino

BD und DVD enthalten eine Audiodeskription für Sehbehinderte, allerdings nur in englischer Sprache.

Verleih DVD
Fox (16:9, FF & 1.85:1 & 2.35:1, DD5.1 engl./dt.)
Verleih Blu-ray
Fox (16:9, FF & 1.85:1 & 2.35:1, dts-HDMA engl., dts dt.)
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Diskussion
Nennt man die rückwärtsgewandte Sehnsucht nach einer Zeit, die man selbst gar nicht erlebt haben kann, sondern die nur aus alten Spielfilmen befeuert wird, eigentlich auch Nostalgie? Oder müsste man nicht eher von Phantomschmerzen sprechen? Der geniale Regisseur Wes Anderson hat sich stets darauf verstanden, seinen Filmen mit spielerischer Leichtigkeit Referenzräume zu eröffnen, die als Ornamente des Erzählens einem emphatischen Verständnis von Pop verpflichtet waren: David-Bowie-Songs auf portugiesisch, Jacques Cousteau, The Kinks, „Schwarze Narzisse“, Jean Renoirs „The River“, The Beach Boys und Evel Knievel, Nouvelle Vague und die early Sixties. Andersons Filme waren dabei so voller visueller Gimmicks und geschmackvoller Insider-Gags, dass man über die fadenscheinigen, nachlässig zusammengeflickten Plots mitunter ganz froh war, da hierfür ohnehin nur noch sehr wenig Aufmerksamkeit übrig gewesen wäre. In „Grand Budapest Hotel“ ist das noch immer so und doch ganz anders, denn diesmal scheint das Spiel mit den Referenzen etwas verbindlicher und konzentrierter, auch weniger üppig wuchernd, was mit dem gewählten Sujet zu tun haben könnte. Wobei nicht ganz klar ist, welches Sujet Anderson hier eigentlich gewählt hat. Ein komischer Thriller? Ein barock-labyrinthischer Hotelfilm? Ein verquerer Abenteuerfilm? Ein Road Movie mit allerlei Fortbewegungsmitteln? Ein umständliches Caper-Movie? Ein auf Etikette bedachtes Buddy-Movie? Wie auch immer: Andersons Bricolage bleibt so idiosynkratisch wie sein Hinweis auf Stefan Zweig. In dessen (verdeckter) Autobiografie „Die Welt von gestern“ liest man: „Von all meiner Vergangenheit habe ich also nichts mit mir, als was ich hinter meiner Stirne trage. Alles andere ist für mich in diesem Augenblicke unerreichbar oder verloren.“ Eine schöne Vorlage für einen Autorenfilmer par excellence wie Wes Anderson. Schon das kunstvoll geschachtelte Spiel mit den Zeitebenen, mit dem die Erzählmaschine angeworfen wird, offenbart spielerisch die Mühe, die es kostet, einen Ort zu etablieren, von dem aus das Erzählen wieder möglich wird. Von der Gegenwart geht es stufenweise zurück, in die Jahre 1985, 1968 und 1932. Eine junge Frau liest in einem Park ein Buch eines Autors, der dann höchstselbst erzählt, dass er vor Jahren im Grand Budapest Hotel, gelegen nahe Nebelsdorf in den Bergen der ost-mitteleuropäischen Republik Zubrowka, einen alten Mann namens Zero Moustafa traf, der ihm eines Abends seine Geschichte erzählt. Die unter anderem davon handelt, dass das Grandhotel einst, als der legendäre Concierge M. Gustave noch das Sagen hatte, weitaus bessere Tage gesehen hat. Das war in den frühen 1930er-Jahren, vor dem Nationalsozialismus und all seinen Entartungen und Verbrechen, die allerdings im kleinen Zubrowka schon etwas früher als anderswo sichtbar wurden. M. Gustave ist ein höchst stilbewusster Dienstleister, der den Gästen seines Hotels und insbesondere den älteren Damen jeden Wunsch mit ausgesuchter Höflichkeit und Professionalität erfüllt. Er ist zugleich ein mit allen Wassern des Pragmatismus gewaschener Filou, der leicht arrogant auf seine humanistische Bildung verweist und dennoch äußerst „streetwise“ ist. Aufgrund seiner zuverlässigen Dienste erbt M. Gustave von seiner (ermordeten) Kundin Madame D ein kostbares Gemälde mit dem Titel „Junge mit Apfel“; ihre raffgierige Verwandtschaft aber ficht das Testament an und hintertreibt es mit mörderischen Mitteln. Ein Miniaturkosmos, der durch die Befolgung bestimmter Regeln am Laufen gehalten wird, und ein MacGuffin namens „Junge mit Apfel“ sind die hinreichenden Voraussetzungen für einen schnurrigen und schnurrenden Wes- Anderson-Film, der alles hat, was man von einem echten Wes Anderson-Film erwarten darf: eine verschrobene, aber bis ins Kleinste ausgeklügelte Ausstattungsorgie voller visueller Überraschungen, aufreizend geometrisch choreografierte Kamerafahrten, die zweidimensional auf 3D machen, ein lakonischer Humor mit bisweilen vulgären Untiefen, ein Hang zu Kontrolle und Verniedlichung und dazu die legendäre „Stock Company“ mit Darstellern wie Jason Schwartzman, Owen Wilson, Willem Dafoe, Adrien Brody, Bill Murray sowie einigen Neuzugängen wie Ralph Fiennes und Mathieu Amalric. Besonderen Drive bekommt der Film allerdings durch die Tatsache, dass Anderson sein ganz persönliches k.u.k.-Mitteleuropa entlang der Filmgeschichte entworfen hat. Man kann in dieser vor Einfällen überbordenden fiktiven Filmwelt an die dunkleren Fantasien eines Guy Maddin („Lawinen über Tölzbad“) denken, andererseits aber auch problemlos Spuren von Hitchcock, Lubitsch, Wilder, Hawks, Sternberg, aber auch von Laurel & Hardy oder den Marx Brothers identifizieren. In den Figuren des eifersüchtigen Erben Dmitri und des Killers Jopling wird zudem deutlich, dass Zubrowka an Transsylvanien grenzen könnte. Man kann sich bei diesen Figuren aber auch an die mysteriösen Dreharbeiten zu Murnaus „Nosferatu“ erinnert fühlen, wie sie in „Shadow of a Vampire“ dokumentiert sind. So entwirft Anderson schwungvoll und leicht melancholisch eine bonbonfarbene Fantasiewelt voller dunkler Einschüsse, die erklären können, warum diese Welt entweder untergegangen ist oder aber nie existierte. Stets bleibt der vollmundig dargereichte Trost des Kinos: So hätte es immerhin gewesen sein können.
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