Ein zehnjähriger Junge in Wien, der am Asperger-Syndrom leidet, entdeckt auf dem Balkon eines Nachbarn, einem jungen, hochverschuldeten Mathematiker, ein Rennpferd, mit dem er sich anfreundet. Von da an lernt er, wie man das Leben konkreter anpackt, muss zuvor aber manche Hürde überwinden und sogar gegen zwei Gauner antreten. Eine unterhaltsame Entwicklungsgeschichte mit märchenhaften Elementen, Spannung, Tempo und Witz. Je länger der Kinderfilm mit Genremustern spielt und sich die überraschenden Wendungen zu überschlagen beginnen, desto mehr verschwindet der sympathische Junge aber hinter seinen Versuchen, das „wahre Leben“ zu bewältigen. Darunter leidet die Sorgfalt der Charakterisierung, zumal sich der Film nicht genügend Zeit nimmt, die Veränderungen des gehandikapten Jungen stimmiger auszumalen.
- Ab 8.
Das Pferd auf dem Balkon
Kinderfilm | Österreich 2012 | 93 (24 B./sec.)/89 (25 B./sec.) Minuten
Regie: Hüseyin Tabak
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Filmdaten
- Originaltitel
- DAS PFERD AUF DEM BALKON
- Produktionsland
- Österreich
- Produktionsjahr
- 2012
- Produktionsfirma
- MINI Film
- Regie
- Hüseyin Tabak
- Buch
- Milan Dor
- Kamera
- Peter von Haller
- Musik
- Judit Varga
- Schnitt
- Fabian Rüdisser
- Darsteller
- Enzo Gaier (Mika) · Natasa Paunovic (Dana) · Nora Tschirner (Lara) · Andreas Kiendl (Sascha) · Bibiana Zeller (Hedi)
- Länge
- 93 (24 B.
sec.)
89 (25 B.
sec.) Minuten - Kinostart
- 19.09.2013
- Fsk
- ab 0; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 8.
- Genre
- Kinderfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Heimkino
Diskussion
Es war einmal ein Buchhalter, der eines Tages ein Rennpferd als Trostpreis gewann. Er zog mit dem lästigen Tier aus, um es loszuschlagen, und fand unerwartet sein Glück. „Bisher hatte er nur in einer Welt von Papieren und Zahlen gelebt, die stellvertretend für eine ihm unbekannte Wirklichkeit standen“. Jetzt aber lernt er das „wahre Leben, ein Leben voller Abenteuer und Überraschungen“ kennen. Und es beglückt ihn mit einer Familie, mit Reichtum und einer Traumfrau.
Die Quintessenz des modernen Märchens von Milo Dor hat dessen Sohn Milan Dor kongenial in das Drehbuch zu Hüseyin Tabaks zweitem Langfilm übertragen. Dafür hat er als neue Hauptfigur einen zehnjährigen Jungen erschaffen, der am Asperger Syndrom leidet. Gleich dem schüchternen und verträumten Angestellten aus der Vorlage fühlt sich Mika nur in einer Welt aus Zahlen und Logik sicher. Das kleine Mathematikgenie löst nebenbei ein Sudoku mit höchstem Schwierigkeitsgrad, hat aber mit seinen Mitmenschen große Probleme. Weil der Zahlenfetischist auf Nähe nicht eingehen kann, findet er schwer Freunde. Zudem stellt er mit seinem Kontrollwahn andere vor eine große Geduldsprobe; alles Neue und Unerwartete versetzt ihn in Rage, und dann hat man zu spuren.
Das ändert sich, als er das Rennpferd Bucephalus auf dem Balkon seines Nachbarn Sascha entdeckt. Er fühlt sich zu dem Pferd sogleich hingezogen, lässt es sogar zu, dass es seinen Kopf an ihm reibt. Mit dem Einsatz sentimentaler Geigenmusik deutet sich an, dass diesem Pferd das ganze Herz des Helden gehört. Der Junge nimmt sich seiner Rettung an, wodurch er reift, Freunde und eine Familie findet.
Mikas wundersame Entwicklungsgeschichte hat viel von einem Märchen. Doch wurde der ruhige Erzählfluss der Vorlage, die vor allem auch Milieus zeichnet, dramaturgisch aufgepeppt. Der Film setzt mehr auf Spannung, Tempo und Witz. Er bedient sich dafür der Motive des Kriminalfilms und der Gaunerkomödie, was nachvollziehbar ist, da es in der literarischen Vorlage um eine Flucht aus kleinbürgerlicher Enge und um den Traum des kleinen Mannes vom großen Reichtum geht. Im Film wird der Pferdebesitzer Sascha von zwei Ganoven in die Zange genommen, die ihn wegen seiner Spielschulden verfolgen und am Ende auch noch das Pferd entführen. Das macht den Film unterhaltsam. Man amüsiert sich bestens, wenn Mika mit Sascha, dem Mädchen Dana und Ersatzoma Hedi in einer Stretchlimousine vor der Spielbank vorfahren, um den großen Coup zu landen, da Mika die Zahlen beim Roulette voraussehen kann. Doch das ist zugleich auch die Crux dieses Spielfilms. Er will einfach zu viel.
Wenn eingangs Mikas Schwierigkeiten im Alltag beschrieben werden, wird durchaus authentisch nachvollziehbar, wie es in Mika aussieht, wenn sein Hirn zu brodeln beginnt, etwa durch Voice-over, durch kurze animierte Szenen oder durch den Einsatz von Zeitraffern. Je länger der Film dann aber mit den Genremustern spielt und sich die überraschenden Wendungen zu überschlagen beginnen, desto mehr verschwindet Mikas Person hinter seinen Versuchen, das „wahre Leben“ zu bewältigen. Die Versatzstücke muten, für sich alleine betrachtet, ziemlich abgenutzt an. Auch die musikalische Gestaltung wirkt so, als hätte man ein buntes Allerlei aus dem ganzen Garten der Filmmusik zusammengerührt. Der Film führt geradezu modellhaft vor, wie ein moderner Kinderfilm aussehen soll. Ein Ereignis, eine Handlung jagt die nächste, damit der Spannungsbogen ja nicht zur Ruhe kommt, weil sonst die Aufmerksamkeit der jungen Zuschauer erlischt. Damit die Spannung nicht allzu bedrohlich wird, entlädt sich die Szene in einer komischen Volte. Damit aber wird der Film schlicht überfrachtet. Und es leidet die Sorgfalt bei der Charakterisierung der Figuren. Der Film nimmt sich keine Zeit, die Veränderungen des gehandikapten Jungen stimmig auszumalen. In „Das Pferd auf dem Balkon“ steckt viel handwerkliches Wissen und Können, doch der Film wirkt wie am Reißbrett entworfen. Es fehlt ihm die Kraft, seine Figuren organisch zu entwickeln und deren Erleben im Auge zu behalten.
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