Semidokumentarische Porträts von vier Mitgliedern einer armen Familie in der chilenischen Provinz, die einen Tagesablauf aus der jeweiligen Perspektive von Opa und Oma, Mutter und Sohn nachzeichnen, wobei alle mit den rapiden Änderungen, die ihnen die globalisierte Welt abverlangt, nicht Schritt halten können. Der mit authentischen Laiendarstellern besetzte Debütfilm verwebt die subtil beobachteten, hervorragend fotografierten Episoden meisterlich zur umfassenden Erzählung über das Leben am Rand der chilenischen Gesellschaft und formt daraus ein globales Sinnbild. (O.m.d.U.)
- Sehenswert ab 14.
Huacho - Ein Tag im Leben
- | Chile/Frankreich 2009 | 90 Minuten
Regie: Alejandro Fernández Almendras
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Filmdaten
- Originaltitel
- HUACHO
- Produktionsland
- Chile/Frankreich
- Produktionsjahr
- 2009
- Produktionsfirma
- Jirafa films/Charivari Films/Les Audis de Vanves/Prandora Filmprod./ARTE France Cinéma
- Regie
- Alejandro Fernández Almendras
- Buch
- Alejandro Fernández Almendras
- Kamera
- Inti Briones
- Schnitt
- Sébastien de Sainte Croix
- Darsteller
- Alejandra Yañez · Manuel Hernández · Clemira Aguayo · Cornelio Cillagrán
- Länge
- 90 Minuten
- Kinostart
- 21.07.2011
- Fsk
- ab 0; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 14.
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Diskussion
Es ist früher Morgen, die Vögel zwitschern, das Leben auf dem Bauernhof erwacht. Ein neuer Tag beginnt. Der Süden Chiles ist ein grünes ländliches Paradies. Doch die Idylle trügt, denn hinter dem pittoresken Leben auf dem Land verbirgt sich bittere Armut. Der 40-jährige Regisseur Alejandro Fernández Almendras ist für seinen ersten abendfüllenden Film „Huacho – Ein Tag im Leben“ in seine Geburtsstadt Chillán zurückgekehrt, wo er mit Laienschauspielern fast dokumentarisch den Alltag einer Familie inszenierte. „Huacho“ nennt man dort Dinge, die übrig geblieben und unvollständig sind, etwa ein einzelner Schuh. Das gilt im übertragenen Sinne auch für Cornelio und Clemira, die mit ihrer Tochter und deren unehelichem Sohn Manuel auf einem kleinen Bauernhof leben. Der Tag beginnt am frühen Morgen, wenn Manuel zur Schule muss, der Großvater auf den alten klapperigen LKW wartet, der ihn auf die Felder bringt, die Großmutter den Käse vorbereitet und die Mutter zur Arbeit in einer kleinen Pension geht. Der Film zeigt denselben Tag aus vier Perspektiven, vier Alltagsgeschichten, die auf unterschiedliche Weise von Geldknappheit geprägt sind: Die Großmutter kauft Milch, um daraus Käse herzustellen. Aber die Milch des Bauern ist teurer geworden, und auch die anderen Bauern haben die Preise erhöht. Als Clemira zusammen mit den Frauen beschließt, auch den Käsepreis um ein Drittel anzuheben, scheitern sie an der Sturheit der Kunden.
Knapp und lakonisch gelingt Almendras ein Kabinettstückchen über die Gesetze des freien Marktes, nicht nur in der Landwirtschaft: eine Milchmädchenrechnung, an deren Ende immer einer den schwarzen Peter in Händen hält; hier ist es die Großmutter, die den hausgemachten Käse abends weit unter Preis verkaufen muss. Auch ihrer Tochter geht es nicht gut, hat sie sich doch mit ihrem schwer verdienten Geld ein elegantes blaues Kleid gekauft. Doch da der Familie der Strom abgestellt wird, weil sie die Rechnung nicht bezahlt hat, muss sie das Kleid zurückgehen, damit daheim die Lichter wieder angehen.
Diese kleinen, subtilen Episoden handeln von sichtbarer wie versteckter Armut, erzählen von den Gegensätzen in der chilenischen Gesellschaft, zwischen den sozialen Schichten, zwischen Stadt und Land. Die blasierte Arroganz wohlhabender Autofahrer, die zäh um den Preis für Käse feilschen, die kalte Höflichkeit bei der Rückgabe des blauen Kleids, spiegeln, sachlich unterkühlt, soziale Widersprüche. Besonders deutlich werden die Risse im sozialen Gefüge in der Episode, die Manuels Tag in der Schule schildert und seine stille Sehnsucht zeigt, auch einmal wie auf der Playstation zu spielen, um dazu zu gehören. Allein das Bild des sich langsam schließenden Tores der Wohnanlage, das Manuel von seinen Mitschülern trennt, verdeutlicht auf einfache Weise, dass der Werdegang und die Entwicklungsmöglichkeiten der Schulkinder trotz einheitlicher Schuluniform sehr unterschiedlich sind. Manuel träumt von der bunten Welt der Computerspiele, davon, wie er über sie Anschluss an den wohlhabenden Rest seiner Mitschüler bekommen kann, und verpasst darüber fast den Bus zurück ins Dorf. Großvater Cornelio ist vielleiczht der Unabhängigste in der Familie. Jeden Morgen wird er mit einem klapperigen LKW aufs Feld gefahren und bessert dort Zäune aus. Er spürt, dass seine Kräfte langsam schwinden. In der Kneipe erzählt er vom unehelichen Sprößing seiner Tochter, und von seinem Sohn, der Berufssoldat beim chilenischen Militär sei, während der Alkohol eine gewisse Entspannung schafft, von der harten einsamen Arbeit und den finanziellen Problemen. Am Ende des Tages kommen die Episoden zusammen und verbinden die Familie als eingespieltes Team im täglichen Überleben. Fast kontemplativ bringt der Film mit seiner eindrücklichen Poesie der Alltäglichkeit seiner Protagonisten nahe und macht deren Armut im täglichen Leben greifbar. Mit seinem sozialen Realismus, der ungeschminkten Darstellung des Landlebens, knüpft der Film an das „nuevo cine latinoamericano“ aus den 1960er- und 1970er-Jahre an und verdichtet sich zum leisen, eindringlichen Meisterwerk der teilnehmenden Beobachtung.
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