Buch und Film seien „zwei polare Welten“, erklärt Helme Heine in einem Interview zu „Mullewapp“: Das Buch liebe das Wort, der Film das Bild. Im Fall des erfolgreichen Kinderbuchautors, Grafikers und Illustrators Heine (geb. 1941) sollte man anmerken, dass gerade seine stimmungsvoll-„naiven“ Kinderbücher das Bild nicht weniger lieben, ja, dass diese liebenswert-freundlich, nuancenreich und hintergründig hingetupften Gemälde sowohl in ihrer unverwechselbaren Individualität als auch in ihrer grafischen Sorgfalt die meisten Kinobilder glattweg übertrumpfen. Auch Helme Heine wird zu spüren bekommen haben, dass die „industrielle“ Kinofertigung seiner Bildvorlagen mit deutlichen Verlusten verbunden ist: Wo sind in „Mullewapp“ die schönen, rosafarbenen Schattierungen geblieben, die dem dicken (Buch-)Waldemar seine „runde“ Gemütlichkeit geben? Wo sind die kecken Schnurrbarthaare von Johnny Mauser, die ihm erst seine wahre Persönlichkeit verleihen, und wo ist die stolze Kantigkeit von Franz von Hahn, die man aus seinem weißen, charaktervoll changierenden Federkleid herauslesen kann? All dies wurde in der Zeichentrickverfilmung schmerzlich geglättet und spürbar konturloser. Auch das markante und amüsante Wechselspiel von gemaltem Bild und knappem Text, das Heines Bilderbüchern den besonderen Pfiff gibt, musste (zwangsläufig?) dem ausführlicheren Erzählen einer „richtigen“, gleichwohl eher konventionellen Filmhandlung weichen.
Dies sind die schlechten Nachrichten. Doch es gibt auch gute: Aller künstlerischen Einbußen beim Transfer vom Bilderbuch zum Kinofilm zum Trotz haben die Drehbuchautoren Bettine und Achim von Borries mit flotten Dialogen, liebevollen Handlungsdetails und amüsanten Nebenfiguren ein schönes, stimmungsvoll-buntes Kinderkino-Äquivalent für die beschauliche Fröhlichkeit auf dem Bauernhof Mullewapp kreiert; und da auch die Sprecher Benno Fürmann (Johnny), Christoph Maria Herbst (Franz) und Joachim Król (Waldemar) mit viel Herzblut bei der Sache sind, werden die drei tierischen Freunde zu sympathischen Kinohelden, die große und kleine Helme-Heine-Fans gerne bei ihren Abenteuern begleiten. Erzählt wird quasi das „Prequel“ der Bilderbücher, nämlich wie es dazu kam, dass sich Maus, Hahn und Schwein kennen lernen und zu Freunden werden: Johnny Mauser kehrt enttäuscht seinem Dasein als erfolgloser Schauspieler in der Stadt den Rücken und findet ausgerechnet in den unerfahrenen „Landeiern“ auf Mullewapp ein ihn anhimmelndes Publikum. Lediglich Franz von Hahn ist eifersüchtig und skeptisch angesichts Johnnys Angebereien; und er scheint Recht zu behalten, als der verschlagene „Maître Wolf“ das Schäfchen Wolke entführt, um es zum Höhepunkt seines Geburtstagsmenus zu machen. Johnny bricht zwar mit Franz und Waldemar zur Rettungsaktion auf, trickst dabei aber ganz schön herum, um zu verbergen, dass er alles andere als ein Held ist. Im Kampf mit dem Fuchs geht dies gerade noch gut; die Überfahrt auf „Maître Wolfs“ Insel wird auch noch gemeistert; doch angesichts der drohenden Gefahren im Wolfshaus kneift Johnny. Waldemar und Franz nützt ihre Tapferkeit derweil wenig: Sie landen bei Wolke im Kochtopf, und wenn Johnny nicht doch im letzten Moment erkennen würde, dass er seine neuen Freunde nicht im Stich lassen darf, dann hätte es wohl tatsächlich ein leckeres Abendessen bei Wolfens gegeben. So aber spielt Johnny wirkungsvoll den draufgängerischen Degenhelden, der gerade im Einklang mit seinen Freunden Erfolg hat – denn erst gemeinsam ist man stark, auch im Alltag – und beim Fahrradfahren.
Dies ist die einfache, zeitlos gültige Botschaft, die jüngsten Kinozuschauern sinnlich und spielerisch vor Augen führt, dass Freundschaft ein lohnender Wert ist, der (besonders im spannungsreichen Dreier-Team) erkannt und erkämpft werden muss. Dies fließt didaktisch behutsam in die turbulenten, mal witzigen, mal auch recht spannenden Abenteuer ein, die am Rande gelegentlich an frühen Walt-Disney-Slapstick (Donald Duck im Kampf mit den Tücken der Natur, der „große böse Wolf“ als skurriler Chefkoch) erinnern und kurzweilig unterhalten – wobei man dann doch immer wieder wehmütig Helme Heines so schöne pastellene Buchillustrationen vermisst.