„Mein Name ist Jonathan Preest, und heute Nacht werde ich einen Mann töten!“ Das ist der erste Satz im Debütfilm des Londoner Werberegisseurs Gerald McMorrow. Es bleibt in diesem verschachtelten Fantasy-Thriller lange ein Rätsel, wem diese Drohung letztlich gilt. Bis die Kugel ihr Ziel findet, werden sich die Wege von vier Fremden schicksalhaft kreuzen. McMorrow studierte in New York und drehte zunächst Musikvideoclips und Werbespots, bis er mit dem düsteren Kurzfilm „Thespian X“ (2002) auf sich aufmerksam machte. Zu einem ähnlichen Modell kehrt er in „Franklyn“ zurück. Dieser spielt in zwei parallelen Welten, die sich zusehends durchdringen. Während in der von Klerikern beherrschten Gothic-Metropole Meanwhile City der Rächer Jonathan Preest seiner Nemesis „The Individual“ nachstellt, die eine junge Frau auf dem Gewissen hat, versuchen im gegenwärtigen London drei andere, seelisch geplagte Menschen, ihr Leben in den Griff zu bekommen. Die depressive Künstlerin Emilia fühlt sich von ihrer Mutter um den Vater beraubt und inszeniert wöchentlich Selbstmordversuche, die sie in ihr Werk integriert. Der Twen Milo trauert seiner ersten Liebe nach und glaubt, sie in einer Lehrerin (ebenfalls dargestellt von Eva Green) wiedergefunden zu haben. Peter ist ein alternder Kirchendiener, der seinen vom Kriegsdienst traumatisierten Sohn David sucht. Der Film lässt sich lange Zeit, entwickelt sorgsam seine Charaktere und führt die Ebenen parallel – bis sie sich allmählich durchdringen und die Ereignisse auf einen bizarren Höhepunkt zulaufen. Die Gothic-Phantasmagorie von Meanwhile City mag ästhetisch spektakulär sein und schließt an Filme wie „Dark City“
(fd 33 277) an. Getragen wird „Franklyn“ jedoch von der hypersensiblen Künstlerin Emilia, die von Eva Green bravourös als enigmatische Gothic-Queen gespielt wird: mit dicken Kajal-Rändern um die Augen, blasser Haut und einer wirren schwarzen Mähne stürzt sie sich langsam ins Chaos. Sam Riley konnte sich von seinem Auftritt als Ian Curtis in „Control“
(fd 38 519) offensichtlich noch nicht ganz lösen, und Ryan Philippe ist als apokalyptischer Rächer eher gewöhnungsbedürftig. Doch seine an Rohrschach aus „Watchmen“
(fd 39 188) erinnernde Maske und seine tollen Kampfszenen wissen zu beeindrucken. Gegen Ende fügen sich die Puzzleteile immer rasanter ineinander und entschädigen für den schleichenden Start. Als rätselhafte Parallelwelten-Geschichte und schwungvolle Gothic-Fantasie liegt der Film im Trend, besticht jedoch vor allem durch seine charismatische Hauptdarstellerin, die nach vielen kleineren Rollen in großen Filmen endlich mit dem großen Wurf in einem kleinen Werk aufwartet. So ist „Franklyn“ ein irritierender und erstaunlicher Film – zwischen allen Stühlen, jenseits der Erwartungen und voller Überraschungen.