Der seltsame Fall des Benjamin Button

Drama | USA 2008 | 166 Minuten

Regie: David Fincher

Ein Kind wird geboren, das alle Merkmale eines alten Mannes trägt und fortan immer jünger wird, während seine Umgebung langsam dem Tod entgegen geht. Die schmale Kurzgeschichte von F. Scott Fitzgerald inszenierte David Fincher als melancholisch gefärbtes Epos über Sterblichkeit, Liebe und die Zufälligkeiten des Lebens, anekdotisch verknüpft mit wichtigen US-Ereignissen des 20. Jahrhunderts. Die ausufernden Selbstgefälligkeiten des Drehbuchs blähen den Stoff bedeutungsheischend auf. Zudem delektiert sich die visuell bestechende Stil-Orgie an der eigenen Fabulierkunst und lässt eine inhaltliche Grundierung schmerzlich vermissen. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
THE CURIOUS CASE OF BENJAMIN BUTTON
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2008
Produktionsfirma
Warner Bros./Paramount Pic./The Kennedy-Marshall Company
Regie
David Fincher
Buch
Eric Roth
Kamera
Claudio Miranda
Musik
Alexandre Desplat
Schnitt
Kirk Baxter · Angus Wall
Darsteller
Brad Pitt (Benjamin Button) · Cate Blanchett (Daisy) · Taraji P. Henson (Queenie) · Julia Ormond (Caroline) · Jason Flemyng (Thomas Button)
Länge
166 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Drama | Liebesfilm | Literaturverfilmung
Externe Links
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Heimkino

Die Extras der Standard Edition umfassen u.a. einen Audiokommentar des Regisseurs. Die Special Edition (2 DVDs & 2 BD) besticht durch eine wertige Aufmachung, die u.a. ein fest gebundenes Hochglanz-Booklet (10 Seiten) beinhaltet. Die umfangreichen Extras überzeugen u.a. durch ein besonders auf Information bedachtes dreiteiliges „Making Of“, das sich mit der Entstehungsphase (45 Min.), den Produktionsbedingungen (63 Min.) und mit Teilaspekten wie Special Effects (53 Min.), Ton (16 Min.) und Filmmusik (15 Min.) beschäftigt. Des Weiteren enthalten die Extras zudem eine Storyboard-Galerie (29 Min.). Neben der wertigen BD & DVD-Special Edition sind noch "abgespeckte" Versionen erschienen, die schlichter und ohne Booklet aufgemacht sind. Die Special Editions (DVD & BD) sind mit dem Silberling 2009 ausgezeichnet.

Verleih DVD
Warner (16:9, 2.35:1, DD5.1 engl./dt.)
Verleih Blu-ray
Warner (16:9, 2.35:1, DTrueHD engl., DD5.1 dt.)
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Diskussion
„Nothing lasts!“ – Nichts hat Bestand. Oder vielleicht doch? Die Liebe, dieses seltsame Spiel? Das ist der leicht in Melancholie getränkte Kammerton, der den „seltsamen Fall“ des Benjamin Button durchzieht. Dieser wird – eine Laune der Natur, basierend auf einer Kurzgeschichte von F. Scott Fitzgerald – als Greis geboren und fortan immer jünger. Vom entsetzten Vater (die Mutter stirbt bei der Geburt des 80-jährigen Säuglings) wird Benjamin dank eines Zufalls nicht getötet, sondern in einem Altenheim abgelegt. Man schreibt den November 1918, der große Krieg ist beendet, ganz New Orleans feiert den Sieg. Viele Jahre später, wieder in New Orleans, nähert sich ein Hurrikan namens Katrina. Eine alte Frau liegt im Sterben und bittet ihre Tochter, das Tagebuch eines guten Freundes vorzulesen: die Aufzeichnungen Benjamin Buttons. Keine Sekunde des 166-minütigen Films vergeht, ohne dass Regisseur David Fincher unmissverständlich klarstellt, dass es sich hier um einen filmischen Jahrhundertroman mit wahrhaft epischem Atem handelt. Unablässig schwenkt, fährt und neigt sich die Kamera, die sich nicht satt sehen kann an den Kostümen und Sensationen der Dekors; immer wieder kommt es zu Aha-Erlebnissen, wenn sich die Figuren, wie von Zauberhand geführt, dort einfinden, wo das kollektive Gedächtnis seine ikonografischen Erinnerungsbilder ans 20. Jahrhunderts geschossen hat – ohne deshalb zu einer platten Rekonstruktion von Wochenschaumaterial zu verkommen. Das ist Absicht: Das Leben, geprägt von Zufällen und der Erfahrung der Vergänglichkeit, geht nicht im Politisch-Sozialen auf, sondern streift die „Big History“ bestenfalls im Anekdotischen. Das hat schon bei „Forrest Gump“ (fd 30 995) funktioniert, dessen Drehbuchautor Eric Roth auch das Skript zu „Benjamin Button“ entwarf. Der Film hält eine weitere Sensation bereit: Die Hauptdarsteller Brad Pitt und Cate Blanchett spielen ihre Rollen, soweit es moderne Möglichkeiten von Maske und Spezial Effects gestatten, komplett: Die 30-jährige Blanchett mimt eine knapp 20-Jährige und altert dann zur Sterbenden, der 45-jährige Brad Pitt leiht seine Züge einem greisenhaften Gnom und verjüngt sich, bis seine Rolle in den letzten Minuten von anderen Kindern übernommen wird. De facto heißt das, dass Brad Pitt zunächst wie der alte Mickey Rooney aussieht, dann immer mehr wie der nicht mehr ganz junge Robert Redford, irgendwann wie Brad Pitt, schließlich wie Pitt in jungen Jahren, dazwischen manchmal auch wie Brad Pitt als Marlon Brando, Peter O’Toole, Steve McQueen – je nachdem, in welcher Phase der Erzählung man sich befindet. Früh steht fest, dass es sich bei „Benjamin Button“ um ein Wunderwerk des Ingenieurswesens handelt, dem es mehr um das „Wie“ als um das „Was“ des Erzählens zu tun ist. Die im unentwegten Fluss des anekdotischen Fabulierens, im fortwährenden Kommen und Gehen der Ereignisse und Nebenfiguren agierenden Protagonisten erscheinen als sprechende Kostümständer, vorzugsweise unterlegt mit gospelgetränkten Südstaaten-Singsang der Kategorie „By God, yes, Ma’m, I’ve seen a lotta things pass!“ Der Vergleich mit „Forrest Gump“ drängt sich auch auf, wenn man an die ideologische Substanz von „Benjamin Button“ heran will, der sein existenzielles Thema – als Greis geboren und dann immer jünger werdend – nur als bittersüße Liebesgeschichte in den Griff bekommt, ansonsten aber gar nicht erst versucht, sich der philosophischen Dimension des Bewusstseins seines Protagonisten zu nähern. So bleibt es beim phasenweise lösbaren Problem, die Biografien von Button und seiner großen Liebe Daisy soweit zu synchronisieren, dass angesichts der vorbeiziehenden Zeitläufte einige große Gefühle und dem Zuschauer ein wohliges Schaudern vor der eigenen Vergänglichkeit bleibt. Dass dem so ist, lernt Benjamin früh, weil er als junger Greis in einem Altenheim aufwächst, in dem das Kommen und Gehen zum Alltag gehört. Hier ist er der stille Beobachter, der sich seinen Reim auf das Leben der jünger aussehenden Erwachsenen macht, ohne dass die Spannung zwischen Körper und Geist über die dekorativ musical-hafte Geborgenheit in den Südstaaten der Roosevelt-Ära hinausginge. In manchen Momenten besitzt „Benjamin Button“ das Zeug zum Schelmenroman, zu einer Art modernisiertem „Huckleberry Finn“. Doch dann heuert Button auf einem Kutter an, zieht in den Krieg, kehrt heim, trifft Daisy wieder, die jetzt eine Ballett-Karriere in New York macht und ein Künstlerleben führt, für das Benjamin augenblicklich noch zu alt ist. Erneut treffen sie in Paris aufeinander, als Daisys Karriere ein unglückliches Ende findet. Schließlich leben sie sogar einige Jahre ihre Liebe – beide jetzt in den besten Jahren –, doch als sie eine Familie gründen, fühlt sich Benjamin bereits zu jung und verkündet weise: „Ein Kind braucht einen Vater und keinen Spielkameraden!“ Er zieht auf dem Hippie-Trail seiner Wege, was selbst redend noch nicht das Ende der Liebesgeschichte ist. Während das 20. Jahrhundert solcherart verdichtet vorüber rauscht, bleibt Button immer ein „kalter“ Beobachter der Zeitläufte, wobei der Film eigentümliche Schwerpunkte setzt. Hat es mit der literarischen Vorlage von Fitzgerald zu tun oder mit den Vorlieben des Production Design, dass die 1920er- bis 1950er-Jahre so viel „reicher“ erscheinen als die beschleunigten letzten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts? Während die Beatles zumindest noch einen Fernsehauftritt haben, fehlen die üblichen Bilder von Kennedy, vom Vietnam-Krieg, der Mondlandung, Watergate, der Bürgerrechtsbewegung und 9/11. Erst ganz zum Schluss spülen die von „Katrina“ ausgelösten Fluten einige Requisiten und damit auch die Bush-Ära hinfort: „Nothing lasts!“ Ist also „Benjamin Button“ letztlich ein seelenloses, intellektuell unterdeterminiertes „L’art pour l’art“, so gibt es eine meisterhafte Sequenz, die heraus sticht: Das Ende von Daisys Karriere als Tänzerin in Paris, das die spätere Liebesgeschichte mit Benjamin erst möglich macht, verdankt sich einem Geflecht von Zufällen, die der Film quasi als autonome Montage visualisiert und dabei so etwas wie ein Äquivalent zum Musilschen „Möglichkeitssinn“ entwickelt, der dem Film sonst völlig abgeht.
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