Zu William Friedkins Film „Bug“ besteht ganz offensichtlich Erklärungsbedarf. Aus dem ohnehin schon recht spekulativ gestalteten Original-Kinoplakatmotiv, das den geschundenen Torso eines Mannes zeigt, auf dem Narben die Initialen „BUG“ bilden, lässt der hiesige DVD-Anbieter nun auch noch aus einer Wunde kleine Wanzen krabbeln. Dabei ist dieser Film des Regisseurs, der neben „Der Exorzist“
(fd 18 987) auch „Brennpunkt Brooklyn“
(fd 17 686) inszenierte, sicher nicht in die Kategorie „Ekelhorror“ abzulegen. So gibt es auf der DVD auch kein wirkliches „Making of“, sondern – höchst ungewöhnlich – eine Einführung des Regisseurs, der zusammen mit den Darstellern über elf Minuten zu klären versucht, dass es sich bei „Bug“ um Horror der ganz anderen Art handelt. Vorlage ist das gleichnamige Theaterstück von Tracy Letts aus dem Jahr 1996, aus dem der „Pulitzer“-Preisträger auch das Buch für den Film konzipierte.
Es ist ein klassisches Kammerspiel, das sich in einem Motelzimmer abspielt, in dem sich die Kellnerin Agnes White vor ihrem latent gewalttätigen Ex-Ehemann Jerry versteckt. Durch ihre Kollegin R.C. lernt sie den verschlossenen Golfkriegs-Veteranen Peter kennen. Agnes hat Angst vor dem Alleinsein, verbirgt in sich tiefe Wunden ihrer Ehe und vergeht angesichts des spurlosen Verschwindens ihres Kindes, das mit sechs Jahren aus einem Supermarkt entführt wurde, unmerklich vor Selbstvorwürfen. In Peter findet sie einen geduldigen, zärtlichen Zuhörer, der schon bald bei ihr unterkommt. Doch auch Peter hat mit eigenen Dämonen zu kämpfen, die aus seinen Erlebnissen im Krieg resultieren. Er erzählt Tracy von seltsamen Experimenten, mit der das Militär seinen Einsatz begleitete, von fremdem Leben, das unter seiner Haut existiere, von der großen Verschwörung, die das Leben der Menschheit infiltrieren würde. Die beiden in ihren Verletzungen Gefangenen schotten sich immer mehr ab und bekämpfen die „feindlichen Insekten“ von außen mit immer radikaler werdender Konsequenz, die einer physisch wie psychischen Selbstzerstörung gleichkommt. Friedkin unterwirft sich inszenatorisch fast gänzlich dem Aggregatzustand Kammerspiel. Einzig eine langgezogene Plansequenz saugt den Zuschauer, über die trostlose Landschaft fliegend, in das einsam an einem Freeway gelegene Motel, das die Kamera im Folgenden bis auf ein oder zwei Ausnahmen nicht mehr verlässt. Letts und Friedkin belassen die „theatralische Künstlichkeit“ auch auf der Dialogebene, über die der Großteil der Geschichte vermittelt wird. Es bedarf schon ein Stück weit Abstraktionsvermögen, um den zum Teil über die Maßen philosophischen und soziologischen Gesprächen der „working class people“ zu folgen.
Doch darüber hinaus entfaltet der Film eine suggestive, kafkaesk-bedrohliche Stimmung, in der sich die Menschen in virulenter Paranoia im wahren Sinne des Wortes selbst verstümmeln. Die deutsche Synchronisation ist ein wenig zu aseptisch geraten und mindert etwas die beachtliche Darstellerleistung des kleinen Ensembles. Man sollte also tunlichst auf die englische Tonspur der DVD wechseln, um „Bug“ wirklich gerecht zu werden. Die Erfahrung angesichts dieses intensiven Seelen-Striptease im Gewand eines Horrorfilms wird dann um so nachhaltiger verstören. Für die Kauf-DVD hat der Verleih im Übrigen das Cover geändert: Dieses zeigt eine verstörte und ängstliche Ashley Judd – der Horror findet im Inneren statt.