Shooting Dogs

Drama | Großbritannien/Deutschland 2005 | 115 Minuten

Regie: Michael Caton-Jones

Ruanda 1994: Nach der Ermordung des Präsidenten bricht der Bürgerkrieg aus, das Volk der Hutus macht Jagd auf die Minderheit der Tutsis, von denen einige Schutz in der Schule eines Priesters suchen, die als UN-Stützpunkt dient. Nach dem Abzug der Truppen werden nur die Weißen evakuiert, die Schwarzen fallen einem Massaker zum Opfer. Der bewegende Film prangert die Unterlassungssünden der Vereinten Nationen in diesem Bürgerkrieg an. Schauspielerisch überzeugend, konzentriert er sich auf die psychologische Ausarbeitung der Charaktere der weißen Protagonisten, wodurch der Völkermord zur Kulisse westlicher Gewissenskonflikte wird. - Ab 16.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
SHOOTING DOGS
Produktionsland
Großbritannien/Deutschland
Produktionsjahr
2005
Produktionsfirma
CrossDay/UK Film Council/BBC/Egoli Tossell
Regie
Michael Caton-Jones
Buch
David Wolstencroft
Kamera
Ivan Strasburg
Musik
Dario Marianelli
Schnitt
Christian Lonk
Darsteller
John Hurt (Christopher) · Hugh Dancy (Joe Connor) · Dominique Horwitz (Capitaine Charles Delon) · Louis Mahoney (Sibomana) · Nicola Walker (Rachel)
Länge
115 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama
Externe Links
IMDb | TMDB

Diskussion
Und noch ein Film über den Genozid an den Tutsis im Ruanda des Jahres 1994. Nach „Hotel Ruanda“ (fd 36978) und „Sometimes in April“ von Raoul Peck erzählt Michael Caton-Jones, bekannt für Filme wie „Der Schakal“ (fd 33030) oder „Basic Instinct – Neues Spiel für Catherine Tramell“ (fd 37561), von der Zuspitzung der Ereignisse, nachdem am 6. April 1994 das Flugzeug des ruandischen Präsidenten Habyarimana abgeschossen wurde und radikale Hutu-Führer von langer Hand geplant zum Mord an der Tutsi-Minderheit aufriefen. Fast könnte man den Eindruck bekommen, das westliche Interesse an dem Genozid als Filmstoff verhalte sich umgekehrt proportional zum politischen Interesse, als der Genozid de facto stattfand. „Shooting Dogs“ will emotional aufrütteln und konzentriert sich dabei ganz auf die ethischen Dilemmata der europäischen Zeugen des Massenmordes. Soll und kann man in das Geschehen eingreifen, soll man die Opfer beschützen oder doch lieber sein eigenes Leben retten? Die Situation der UN-Soldaten vor Ort wird im Filmtitel fixiert: Sie haben nur ein Beobachter-Mandat, dürfen sich selbst verteidigen, aber nicht die bedrohten Tutsi. In einem absurden Bild verdichtet sich die Ohnmacht der zur Passivität verurteilten Soldaten: Sie schießen auf Hunde, die sich über die auf den Straßen herumliegenden Leichen hermachen, aber nicht auf diejenigen, die für die Leichen verantwortlich sind. Der Film erzählt von einer Gruppe Menschen inmitten des Infernos. Man hat sich, durchaus selbstkritisch, nicht zugetraut, aus der Perspektive der betroffenen Afrikaner zu erzählen, sondern konzentriert sich auf die Europäer, die um einige holzschnittartig gezeichnete afrikanische Nebenfiguren ergänzt werden. In dieser grundsätzlichen dramaturgischen Entscheidung wiederholt sich der Skandal von 1994, wenngleich die Filmemacher das Gegenteil behaupten – und auf Darfur weisen. In einer katholischen Schule in Kigali, der Hauptstadt Ruandas, treffen der hier heimisch gewordene Priester Pater Christopher und der junge, idealistische Lehrer Joe Connor aufeinander. Die Schule gerät kurzzeitig zu einer Schutzzone der Verfolgten. Später versucht Joe mit Hilfe der Medien und der BBC-Reporterin Rachel, die westliche Öffentlichkeit für die Vorgänge in Ruanda zu interessieren und das politische Gewissen wachzurütteln. Das Trio wird durch den belgischen UN-Offizier Capitaine Delon ergänzt, der sich lange stoisch innerhalb der militärischen Befehl-und-Gehorsam-Logik bewegt. Zu Beginn funktioniert diese Verengung des Gesichtsfeldes ganz ausgezeichnet. Die Europäer sind zum Zeichenlesen verdammt, Gerüchte von Gräueltaten schwirren vorüber, Überlebende mit schreckensweiten Augen kommen auf das Schulgelände, Schüsse sind zu hören, in der Nacht ist Feuer zu sehen. Später wird Joe sich mit einem Fahrzeug in die Umgebung der belagerten Schule wagen, doch auch dann scheinen die Dörfer zunächst nur entvölkert. Dann kommt die Nachricht, belgische UN-Soldaten seien ermordet worden. In der Folge bricht der Film mit dieser strengen Perspektivierung des Erzählens, wird „realistischer“, insofern nun als pars pro toto Gewalthandlungen gezeigt und Leichenberge ins Bild drapiert werden. Zwar hält sich er sich auch weiterhin in Sachen Gewaltdarstellung zurück, versucht aber über einige allenfalls skizzierte Nebenhandlungen, die Zuschauer zu emotionalisieren: Da ist die talentierte Leichtathletin Marie, die von Joe trainiert wird; da ist der verschlagene Hutu-Politiker Sibomana, der stets lächelnd doch nur die UN-Truppenstärke auf dem Schulgelände herausbekommen möchte; da ist Joes (Hutu-)Kumpel François, ein netter Kerl, der irgendwann an einer Straßensperre mit einer blutigen Machete aus dem Gebüsch tritt. So werden menschliche Beziehungen im Verlauf der Pogrome neu definiert, manche idealistische Einstellung wird melodramatisch revidiert. Je länger „Shooting Dogs“ dauert, desto trivialer und fragwürdiger geraten die ästhetischen Lösungen – bis der Genozid vollends zur Kulisse westlicher Gewissenskonflikte verkommt. Dass der Film zudem Authentizität suggeriert, weil er an den Originalschauplätzen mit ruandischen Statisten gedreht wurde, erscheint dann als Geschmacklosigkeit. Letztlich geht er mit dem Vorstellungskomplex „Afrika“ so spekulativ um wie auch „Blood Diamond“ (fd 37991). Insofern passt es zu „Shooting Dogs“, dass die überlebende Marie Jahre später auf dem Gelände der Schule auftaucht, auf dem der gescheiterte Idealist Joe jetzt unterrichtet, und ihn zur Rede stellt. Die Figur gerät zur Personifikation des schlechten Gewissens, der unbequemen Erinnerung, die der Film selbst auch allzu gern wäre.
Kommentar verfassen

Kommentieren