Das G muss weg

Dokumentarfilm | Deutschland 2005 | 76 Minuten

Regie: Renate Günther-Greene

Anhand von drei Einzelbeispielen macht der engagierte Dokumentarfilm mit dem Los von Analphabeten in Deutschland vertraut, legt Gründe für die Lese- und Schreibschwächen dar und zeigt die Ängste und Scham, die die Betroffenen mit diesem Makel verbinden. Die solide Langzeitbeobachtung richtet sich vornehmlich an ein der Thematik verbundenes Publikum und verzichtet dabei auf eine ambitioniertere filmische Ausgestaltung. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2005
Produktionsfirma
Renate Günther-Greene Prod.
Regie
Renate Günther-Greene
Buch
Renate Günther-Greene
Kamera
Justyna Feicht
Musik
Tibor Lévay
Schnitt
Anika Simon
Länge
76 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
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Diskussion
Steffi ist 27 und schreibt für ihr Leben gern Gedichte. Leider kann ihre Poeme außer ihr kaum jemand lesen. Denn Steffi kann nicht schreiben – zumindest weist ihre Orthografie mit der des Deutschen allenfalls geringfügige Ähnlichkeiten auf. Steffi ist eine von vier Millionen erwachsenen, so genannten funktionalen Analphabeten in Deutschland. Was soviel heißt, dass die Betreffenden zwar mehr oder minder mühsam Buchstaben oder einzelne Wörter lesen können, sich ihre Schreib- und Lesekompetenz aber höchstens auf dem Niveau von Drittklässlern bewegt. Drei dieser Analphabeten begleitet die dokumentarische Langzeitbeobachtung über den Zeitraum eines Jahres in ihrem Alltag. Neben Steffi sind dies Nicole (27), die in einer Behindertenwerkstatt arbeitet, und Mondo (25), der kurz vor der Einschulung seines Sohnes endlich selbst lesen und schreiben lernen will. Obwohl alle drei Protagonisten einen entsprechenden Kurs an der Volkshochschule Düsseldorf belegt haben, treffen sie im Film nicht zusammen. Satt dessen werden sie und ihre engeren Umgebungen (Familie, Freunde) in Parallelmontagen vorgestellt. Mal scheint die Kamera sie bei ihrem Tun lediglich zu beobachten, mal gibt es Interview-Sequenzen, in denen die Betroffenen aus ihrem Leben erzählen. In diesen Geschichten ist nicht nur von alltäglichen Schwierigkeiten, von Scham und der Angst vor der Entdeckung des Makels die Rede, sondern es werden auch die vielfältigen Ursachen für Analphabetismus deutlich. Bewegung kommt in den Dokumentarfilm vor allem in jenen Passagen, in denen die Filmemacherin ihre Protagonisten in neuralgischen Situationen begleitet. Da scheitert Nicole, bei dem Versuch, einem Fahrkartenautomaten ein Ticket zu entlocken – was ja auch Normalbürgern schon passiert sein soll –, oder überfällt Steffi die Panik, als sie auf dem Flughafen umherirrt und nicht den richtigen Schalter finden kann. In solchen Momenten avanciert die Regisseurin schon einmal zur Motivatorin, die auf ein entnervtes „Ich schaff‘ das nicht, Renate!“ aus dem Off mit „Doch, du schaffst das!“ zu hören ist. Wie überhaupt die Erzählhaltung des ganzen Films, der seine Protagonisten vielfach in Naheinstellungen in Szene setzt, von deutlicher Empathie getragen ist. Auf der anderen Seite ist der Film erfreulich frei von jeglicher Betroffenheitsattitüde und hat hie und da sogar seine heiteren Momente. Überdies kommt er völlig ohne Off-Kommentar aus und vermittelt Hintergrundinformationen zum Thema durch wenige, eingeschnittene Schrifttafeln. Das Bemühen, sich einem deutschen Tabuthema zu nähern, ist so verdienstvoll wie die Machart des Films redlich. Kurzum: Eine solide Langzeitbeobachtung, die allerdings kaum filmische Qualitäten aufweist, mit denen sich eine Leinwand füllen ließe. Dass er dennoch im Kino zu sehen ist, hat vermutlich in erster Linie mit einer Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zu tun.
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