Ein aufgeweckter Elfjähriger in einem bayerischen Dorf wird an einem Tag gleich mehrfach mit dem Tod konfrontiert und glaubt fortan, schuld am Tod seiner Mutter zu sein. Sein Leben zwischen Himmel, Tod und Hölle wird auch für seinen Vater zur Hängepartie mit ungewissem Ausgang. Turbulente Lausbubengeschichte in bayerischer Mundart, die witzig und respektlos zwischen Komödie, Schwank und Bauerntheater pendelt, die Erzählung bei allem Schabernack aber nie auf die leichte Schulter nimmt. An der nackten Existenz hängt in diesem filmischen Kompendium des Trostes letztlich jeder: der eine, weil er das Fegefeuer fürchtet, die anderen, weil sie das Leben als Geschenk begreifen.
- Sehenswert ab 14.
Wer früher stirbt ist länger tot
- | Deutschland 2006 | 105 Minuten
Regie: Marcus Hausham Rosenmüller
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Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2006
- Produktionsfirma
- Roxy Film/BR
- Regie
- Marcus Hausham Rosenmüller
- Buch
- Marcus Hausham Rosenmüller · Christian Lerch
- Kamera
- Stefan Biebl
- Musik
- Gerd Baumann
- Schnitt
- Susanne Hartmann
- Darsteller
- Markus Krojer (Sebastian) · Fritz Karl (Lorenz) · Jule Ronstedt (Veronika Dorstreiter) · Jürgen Tonkel (Alfred Dorstreiter) · Saskia Vester (Frau Kramer)
- Länge
- 105 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 6; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 14.
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Heimkino
Diskussion
Es geht um die ersten und letzten Fragen in diesem erstaunlichen Debütfilm, der Volkstheater und Lausbubengeschichte in einem ist und sich die Freiheit nimmt, vom Tod als selbstverständlichem Teil des Lebens zu erzählen. Woher komme ich, wohin gehe ich, und wie vermeide ich das Fegefeuer? Das sind die Probleme, mit denen sich der elfjährige Sebastian herumschlägt, nachdem ihm an einem denkwürdigen Tag der Tod gleich mehrfach begegnet. Erst springt er demselben von der Schippe, als er auf dem Fahrrad mit einem Lastwagen kollidiert, dann befördert er versehentlich die Zuchtkaninchen seines älteren Bruders aus der Welt, und schließlich wird ihm von jenem auf wenig freundliche Weise klargemacht, dass seine Mutter nicht bei einem Autounfall ums Leben kam, sondern bei Sebastians Geburt gestorben ist. Fortan glaubt sich der Gescholtene im Besitz eines Sündenregisters, das ihn geradewegs in die Hölle führen muss: Mord an unschuldigen Haustieren, Mord an der eigenen Mutter und unzählige minderschwere Vergehen, die ihm in der Summe den Weg ins Himmelreich versperren. Liegt es am gemütvollen Idiom oder an der Lakonie, mit der die Bewohner des bayrischen Dorfs Germringen dem Unausweichlichen begegnen? Jedenfalls trifft der etwas verwegene Filmtitel „Wer früher stirbt ist länger tot“ den Tonfall der Erzählung ganz wunderbar. Gemeinsam mit Co-Autor Christian Lerch scheut sich Marcus Rosenmüller nicht, Tod und Teufel als Schubkräfte der Handlung einzuspannen, und vor allem kennt er keine Berührungsängste mit dem Volks- und Eigentümlichen: „Wer früher stirbt ist länger tot“ ist ein waschechter Mundartfilm, der die bayrische Idylle mit dem Bilderkosmos eines naiven katholischen Glaubens belebt und daraus immer wieder schöne Effekte zwischen Bauerntheater und kindlichen Höllenfantasien erzielt.
Sebastians Leben zwischen Himmel, Tod und Hölle ist auch für seinen alleinerziehenden Vater eine Hängepartie mit ungewissem Ausgang. Dem Kandlerwirt fehlt die weibliche Hand nicht weniger als seinem Sohn, weshalb sich der Stammtisch der Dorfhonoratioren zuweilen mit Erziehungsaufgaben befassen muss. Nachdem sich Sebastian an einem toten Kaninchen erfolglos als Doktor Frankenstein versucht hat, kommt er auf einen besonderen Kniff, um dem Fegefeuer zu entgehen: niemals sterben. Den Weg zur Unsterblichkeit weisen ihm die Stammtischler, indem sie davon erzählen, dass man in seinen Kindern weiterlebt, und auch darüber, wie man den Akt der Fortpflanzung anbahnt, geben sie nach erstem Herumdrucksen freundschaftlich gemeinten Rat. Der resultiert dann in einem in aller Unschuld vorgetragenen unsittlichen Antrag an Sebastians Lehrerin und führt schließlich zu einer Änderung im Plan: Am Grab seiner Mutter glaubt der Junge, Zeichen zu empfangen und beschließt, seine Sünden durch gottgefällige Taten abzuarbeiten. Doch natürlich schreibt der gute Vorsatz die Lausbubengeschichte nur weiter fort. Die Liebe überdauert das Grab, und doch muss das Leben weitergehen. So ließe sich die Botschaft des Films umschreiben, wobei der komödiantische Tonfall die demütige Haltung gegenüber dem Gesetz von Werden und Vergehen einschließt. Nicht nur im Haus des Kandlerwirts sind die Verstorbenen in der Erinnerung allgegenwärtig, der gesamte Film wird von den Erfahrungen des Todes und der Trauer geprägt. Dabei wird mit ersterem soviel Schabernack getrieben, dass man beinahe um das Seelenheil der Autoren fürchten muss. Auf die leichte Schulter nimmt Rosenmüller trotz manchem inszenatorischen Augenzwinkern seine Erzählung jedoch nie. An der nackten Existenz hängt in diesem filmischen Kompendium des Trostes letztlich jeder: der eine, weil er das Fegefeuer fürchtet, und die anderen, weil sie das Leben als Geschenk begreifen.
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