Porträt des Hannoveraner Möchtegernkünstlers Wolfgang Krone, der als Autodidakt und Amateur vor 25 Jahren einen monumentalen Film über Napoleon inszenierte und seither von der großen Karriere träumt. Der Dokumentarfilm setzt facettenreich das Bild eines liebenswerten Fantasten zusammen und verdichtet es zum Psychogramm eines unter Einsamkeit und überstarker Mutterfixierung leidenden Menschen, der in der Kunst einen Ausweg sucht.
- Ab 14.
Für kurze Zeit Napoleon
Dokumentarfilm | Deutschland/Niederlande 2004 | 93 Minuten
Regie: Bart van Esch
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Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland/Niederlande
- Produktionsjahr
- 2004
- Produktionsfirma
- maxim film/Metropolitan Pictures
- Regie
- Bart van Esch
- Buch
- Bart van Esch
- Kamera
- Adri Schrover
- Schnitt
- Katja Dringenberg
- Länge
- 93 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 6; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Veröffentlicht am
07.04.2005 - 15:34:31
Diskussion
Napoleon ist auf seine (Schlacht-)Felder zurückgekehrt. Wehmütig lässt er seinen Blick schweifen und erinnert sich an die große Zeit vor 25 Jahren – und die große Niederlage.
Napoleon heißt mit bürgerlichem Namen Wolfgang Krone, lebt in Hannover und hat sich damals, eben vor 25 Jahren, einen seiner Träume verwirklicht: Mit großer Komparserie, über Hundert Kostümen, jeder Menge Attrappen und einer Super-8-Kamera hat er den Russlandfeldzug des französischen Feldherrn inszeniert. „Die Erinnerungen des Grenadiers Rousseau“ ist das Opus Magnum des damals 30-jährigen Autodidakten, der seinen Job als Lagerarbeiter an den Nagel hing und sich seitdem in die Rolle des Künstlers hineinträumt. Zwar hat der Napoleon-Film eine Menge Geld verschlungen – und nur läppische 1000 Mark eingespielt – und einige Freundschaften zu den jugendlichen Darstellern gekostet, doch unterkriegen lassen will sich der seit 15 Jahren Arbeitslose Krone nicht. Vom geplanten und bereits begonnenen Römerfilm um die Varus-Schlacht hat er dann der Kosten wegen die Finger gelassen, doch für die Finanzierung seines geplanten Musicals „Arbeitslos und keine Frau“ spricht er sogar beim Oberbürgermeister von Hannover vor; für die etwaige Vermarktung seiner Lieder holt das Multitalent u.a. den Rat von Helge Schneider ein, für einen Auftritt im Talent-Format „Morning Star“ des Senders SAT 1 steht er um fünf Uhr auf, singt den selbstgebastelten Song „Essig oder ess‘ ich nicht?“ – und wird nach einer Minute von der Bühne geholt. Wieder nichts.
Der niederländische Filmemacher Bart van Esch hat Krones Steh- und Gehversuche im Rampenlicht dokumentiert, nähert sich mit unverhohlener Sympathie einem Stehaufmännchen, das vom Weltruhm träumt und dessen größtes Ereignis der Umzug in die erste eigene Wohnung war, vor vier Jahren, als die Mutter starb. Van Esch bleibt unvoreingenommen, denunziert sein Gegenüber trotz dessen Skurrilität nicht, obwohl dies ein leichtes Spiel wäre, wahrt aber auch eine gewisse Distanz, um die Aufmerksamkeit für Krones wirkliche Probleme zu schärfen. Die Kunst mag ihn zwar vordergründig antreiben, die eigentliche Triebkraft scheint jedoch die überstarke Mutterbindung zu sein, die immer wieder thematisiert wird, und der es (scheinbar) mit allen Mittel zu entrinnen gilt. Eines dieser Mittel ist eine Single-Fete, von denen Wolfgang Krone, in erster Linie für sich, einige veranstaltete und die auch einige Beziehungen stifteten – Krone selbst ging, wie meistens, leer aus. „Für kurze Zeit Napoleon“ ist die Beschreibung eines Sonderlings und Fantasten, der für seine Träume lebt, ohne nur ein Traumtänzer zu sein. So schätzt Krone seine Lage, den Arbeitsmarkt, die Gesundheit und die Frauen betreffend, durchaus realistisch ein, und auch der große künstlerische Funke kann nur noch mit viel Mühe am Glimmen gehalten werden: etwa mit Kartenlegen. Hier tauchen Herzdamen, glückliche Partnerschaften und Familien auf, winken Reichtum und Ruhm. Doch Krone, dessen Wahlspruch „Geht nicht, gibt’s nicht“ lautet, hat schon ein Waterloo zu viel erlebt, um an solch vage Glücksverheißungen noch zu glauben. So verdichtet sich Van Eschs Film, der immer wieder (durchaus gelungene Szenen) des Napoleon-Film zitiert, zu einer Studie über die Einsamkeit und das nimmermüde Anrennen gegen Mauern, das irgendwann zermürbt. Am Ende steht die bittere Erkenntnis: „Ich habe mein Leben verpennt!“ Wolfgang Krone sagt es und geht schlafen. Durch die Schlussszene weht ein eisiger Wind – ein Geräusch wie damals vor Moskau.
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