Angelo Ledda ist nicht mehr der Jüngste, zählt aber noch zu den Besten seines Fachs: Töten nach Auftrag. Allerdings hat er ein Problem: Es zeigen sich erste Anzeichen von Alzheimer, jener Krankheit, die seinen Bruder schon ins Reich ewiger Vergesslichkeit führte. Dennoch nimmt er den Auftrag an, in seiner einstigen Heimat Antwerpen zwei Menschen zu töten. Erweist sich der erste Teil des Jobs noch als Routine, kommt er im zweiten ins Straucheln – vor ihm steht ein zwölfjähriges Mädchen. Ledda beweist Moral und lässt das Kind leben, was dem allerdings wenig nützt: ein anderer erledigt den Job. So macht sich Ledda daran, die Hintermänner des Auftrags aufzutreiben. Während die Polizei im Dunkeln tappt, eliminiert er einen Kollegen, dann einen der Mittelsmänner und registriert dann, dass er es mit einem Kinderporno-Ring zu tun hat. Der ermittelnde Kommissar spürt, dass ein Killer unterwegs ist, der die Welt von üblen Gesellen befreit, weshalb er sich nicht sicher ist, ob er diesen fassen soll oder nicht. Doch an Leddas Gehirn nagt die Krankheit des Vergessens. Jan Decleir beweist in der Hauptrolle, dass er zu den ganz großen Darstellern zählt. Wohl nicht zufällig wurden Werke, in denen er mitspielte, mit einem „Oscar“ ausgezeichnet oder zumindest dafür nominiert („Antonias Welt“, „Daens“, „Karakter“). Manchmal ruht die hektische Kamera auf ihm wie auf einem faszinierenden Monument; sein Gesicht erzählt komplette Handlungsstränge, malt ganze Geschichten, zeigt Strenge, Unsicherheit, Coolness, Erinnerung und Vergessen. So ist es vor allem Decleirs Verdienst, dass der Film zu einem Meisterwerk des Thriller-Genres wird, zumal er aus der Romanvorlage, in der Ledda lediglich ein Muskel bepackter, cooler Killer ist, weit mehr herausholt. Aber auch die ungewöhnliche Handlung trägt zum Gelingen bei; denn wann gab es schon mal einen Profikiller, der an Alzheimer leidet und mit einem Kinderporno-Ring aufräumt (und das noch in Belgien)? Nach dem Campus-Drama „Ad Fundum“ und seiner witzigen Abrechnung mit der belgischen Filmindustrie „Shades“ ist dies die dritte Kinoarbeit des Flamen Erik Van Looy, der sich als Erster einer Vorlage von Jef Geeraerts angenommen hat, der kraftvolle, aktionsreiche, stets sehr komplexe Kriminalromane schreibt, die bereits eine filmische Visualität besitzen und mit sozialkritischen und gesellschaftspolitischen Untertönen gespickt sind. Seit 1954 im Kolonialdienst in Belgisch-Kongo tätig, schrieb Geeraerts nach der Unabhängigkeit des Landes Berichte über die Aktivitäten der belgischen Paramilitärs im Kongo. Seine „Gangrän“-Reihe (vor allem „Black Venus“) löste in Belgien einen Skandal aus, begründete aber Geeraerts Ruhm. Bleibt zu hoffen, dass weitere Verfilmungen von der Qualität von „Totgemacht“ folgen.