- | Australien/Deutschland 2001 | 120 Minuten

Regie: Ray Lawrence

Ein Detektiv soll in einer Vorstadt von Sydney das Verschwinden einer Frau aufklären, wobei er sich in ein undurchsichtiges Labyrinth menschlicher Beziehungen verstrickt. Ein am Genre des "film noir" sowie an Robert Altmans episodischer Erzählperspektive orientierter Psychothriller, spannend erzählt, hervorragend besetzt und mit Verve in Szene gesetzt. Seine somnambule Gleichmütigkeit überwindet geschickt allzu simple Genre-Mechanismen und behält zugleich eine durchgängige Rätselhaftigkeit bei. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
LANTANA
Produktionsland
Australien/Deutschland
Produktionsjahr
2001
Produktionsfirma
Beyond Films/Jan Chapman Prod./MBP/New South Wales Film & Television/The Australian Film Finance Corp.
Regie
Ray Lawrence
Buch
Andrew Bovell
Kamera
Mandy Walker
Musik
Paul Kelly
Schnitt
Karl Sodersten
Darsteller
Anthony LaPaglia (Leon Zat) · Geoffrey Rush (John Knox) · Barbara Hershey (Dr. Valerie Somers) · Kerry Armstrong (Sonja Zat) · Rachael Blake (Jane O'May)
Länge
120 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
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Verleih DVD
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Diskussion
Am Anfang stehen kleine Täuschungsmanöver: Sommersonne, Insektenzirpen und die Blütenpracht des exotischen Busches, dem der Film seinen Titel verdankt, vermitteln den Eindruck blühenden Lebens. Doch kaum dass nach einer kurzen Schwarzblende die Kamera auf Bodennähe hinabgeschwebt ist, rückt zwischen dornigen Zweigen ein weiblicher Leichnam ins Bild, dessen Gesicht nicht zu erkennen ist. Das ruft einen anderen Filmanfang in Erinnerung, in dem eine ähnliche Kamerafahrt unter der trügerischen Oberfläche gepflegter Vorgärten ein menschliches Körperteil zutage förderte. Assoziationen mit „Blue Velvet“ (fd 26 040) führen indessen ebenso in die Irre wie die Andeutung eines besonders abgegriffenen dramaturgischen Versatzstückes in der nächsten Szene: ein Ohrring, dessen überraschender Fund in unzähligen Filmen den Verdacht auf eine Affäre schürte. Wenn im allerersten Dialog eine Frau nach dem Sex auch noch bemerkt, dass sie ein solches Schmuckstück, noch dazu ein Geschenk ihres Mannes, vermisse, scheint dessen erneutes Auftauchen an kompromittierender Stelle vorgezeichnet. Doch der Australier Ray Lawrence, der sich nach seinem Debüt „Bliss“ (1985) vor allem als Werbefilmer einen Namen machte, weckt solche Erwartungen offenbar nur, um dafür zu sensibilisieren, woran ihm nicht gelegen ist. Obwohl Ehekrisen, Seitensprünge und Eifersucht in seinem zweiten Spielfilm einen breiten Raum einnehmen, ist er nicht auf Melodramatik aus. Und selbst wenn sich hinter der Fassade von Sidneys Vorstädten Einsamkeit und Entfremdung abzeichnen, will er keineswegs wie David Lynch in ein monströses Schattenreich entführen. Nachhaltiger sind dagegen Lawrences Anleihen bei Robert Altman. Wie bei dem Altmeister gibt es auch in „Lantana“ eine Szene, in der eine Liebeserklärung in ein „totes“ Telefon gesprochen wird. Vor allem aber bedient sich auch dieser ebenso souverän wie warmherzig inszenierte Film jener episodischen Erzählstruktur, die seit „Short Cuts“ (fd 30 588) international Schule gemacht hat. Nach und nach wird ein knappes Dutzend Figuren eingeführt, deren Wege sich zumindest mittelbar allesamt kreuzen werden. Der Kriminalpolizist Leon hat soeben eine Affäre mit der Hausfrau Jane begonnen, die sich unlängst von ihrem Mann getrennt hat. Leons Frau Sonja sucht unterdessen, weil sie unter der zunehmenden Entfremdung in ihrer Ehe leidet, den Rat der Psychoanalytikerin Valerie, deren Ehe selbst in einer Krise steckt. Seit dem Verlust ihrer kleinen Tochter, die ermordet wurde, stimmt es nicht mehr zwischen ihr und John, zumal Valerie sich nicht des Verdachts erwehren kann, dass einer ihrer Patienten mit seinen Prahlereien über einen schwulen Liebhaber ihren Ehemann meine. Eine harmonische Beziehung scheint allein ein benachbartes Pärchen zu erfreuen, wenngleich der arbeitslose Nik sich in seiner Männlichkeit verletzt fühlt, seit seine Frau als Krankenschwester den größten Teil zum Einkommen der Familie beisteuert. Die Beliebtheit des „Short Cuts“- Musters ist vielleicht auch damit zu erklären, dass dessen distanzierte Erzählperspektive isolierte Figuren zuletzt als Glieder eines größeren Zusammenhangs erkennbar werden lässt und damit dialektisch zwischen der modernen Erfahrung der Vereinzelung und dem zunehmenden Wunsch nach gemeinschaftlicher Einbindung vermittelt. Angesichts seiner beinahe standardisierten Anwendung fallen allerdings auch die Schwächen dieser Erzählstruktur ins Auge: dass sie nämlich ausgesprochen konstruiert ist und dass nicht zuletzt deshalb die Figuren oft weniger lebendig werden als es die scheinbare Beiläufigkeit der Beobachtung suggerieren will. Diesen immanenten Schwächen begegnet Lawrence, indem er die vom Plot geforderten Zufallstreffen mitunter wunderbar leichthändig ironisiert – und indem er Genre-Mechanismen zu seinen Zwecken umfunktioniert. Schwarzblenden betonen die Gleichmäßigkeit eines ruhigen Erzählrhythmus, der kaum eine tödliche Zuspitzung der Ereignisse erwarten ließe, wenn es nicht den Noir typischen Vorgriff auf ein fatales Ende gäbe. Gerade im Angesicht des angekündigten Todes gewinnen jene weiblichen Figuren Lebendigkeit, die wie Valerie vielleicht etwas zu ausführlich über das Vertrauen als Basis der Liebe nachdenken müssen. Erschütternd ist es schließlich, wenn eine weitere Kamerafahrt über einen Lantana-Busch eine besondere Gefahr für Jane beschwört. Es bedürfte keiner Todesdrohung für diese von Rachael Blake hinreißend gespielte Figur, um zu erkennen, dass sie eine große Ausnahme im Figurenrepertoire des Kinos darstellt: eine selbstbewusste, intelligente Frau mittleren Alters, nur mäßig attraktiv, doch von einer unbändigen Lebenslust beseelt.
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