Soldatenglück und Gottes Segen

- | Deutschland 2002 | 92 Minuten

Regie: Ulrike Franke

Langzeitbeobachtung des Alltags deutscher Kfor-Soldaten im Kosovo, wo sie die Ordnung herstellen und aufrecht erhalten sollen. Dabei wird deutlich, wie sehr Routine und Langeweile den Einsatz prägen und sich Frustration unter den Soldaten breit macht. Der eindrucksvolle Dokumentarfilm verzichtet auf eine Kommentierung und bringt dezidierte filmische Mittel zum Einsatz, mit denen er die Beobachtungen ebenso informativ wie unterhaltsam aufbereitet. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2002
Produktionsfirma
Filmproduktion Franke-Loeken
Regie
Ulrike Franke · Michael Loeken
Buch
Ulrike Franke · Michael Loeken
Kamera
Jörg Adams
Schnitt
Niko Remus
Länge
92 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
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Diskussion
In einem schmucklosen Kantinensaal, den man vergeblich auf festlich zu trimmen versucht hat, stehen Männer in Soldatenuniformen und plaudern. Unter ihnen ist auch ein Typ, der sich mit seinen vergleichsweise langen (Rest-)Haaren und seinem Outfit wie ein Fremdkörper ausnimmt. Der Mann ist der deutsche Barde Gunter Gabriel, und ihm zu Ehren wird diese Feier in einer Koblenzer Kaserne eigentlich veranstaltet. Die Kommandeure wollen sich bei Gabriel für seine Bereitschaft bedanken, vier Konzerte für die deutschen KFOR-Soldaten im Kosovo zu geben. Der Sänger spricht von „Ehrensache“ und „patriotischer Pflicht“ und reiht sich hemmungslos in die Riege großer US-Entertainer ein, die sich für „Truppenbetreuung“ nicht zu schaden waren. Dennoch bleibt der Empfang eine stocksteife Angelegenheit. Die Offiziere und der Sangesmann mit Outlaw-Attitüde bleiben einander merklich fremd. Später erlebt man Gunter Gabriel in seinem Element. Auf der Bühne des Kinos im deutschen Feldlager in Prizren im Süd-Kosovo stimmt er den Blues-Klassiker „House of the Rising Sun“ an. Nach einer Strophe des Originaltextes gibt er seine aktuelle Nachdichtung zum Besten: „Es steht ein Haus im Kosovo, das ist zerbombt und leer...“. Dieser an peinlicher Geschmacklosigkeit kaum zu überbietender Fehlgriff ist in puncto Realsatire fraglos der Höhepunkt dieses Dokumentarfilm. Ansonsten dient der Frontausflug des Sängers ediglich als Aufhänger für eine Langzeitbeobachtung des Alltags der deutschen Soldaten im Kosovo. Und der wird, obwohl es sich um einen bewaffneten Auslandseinsatz handelt, nicht von kriegerischen Handlungen, sondern vorwiegend von Routine und Langeweile bestimmt. Die Autoren, die bereits mit „Und vor mir die Sterne – das Leben der Schlagersängerin Renate Kern“ (fd 33 224) für Aufsehen sorgten, verfolgen das Geschehen mit einer Mischung aus Neugier und staunender Verwunderung, beobachten militärische Rituale wie den morgendlichen Appell zwischen den Wohncontainern, beobachten die Moderatoren des Soldatensenders „Radio Andernach“ bei ihrem Versuch, für gute Laune zu sorgen, oder lassen sich von einem Feldwebel, dessen Job Ähnlichkeiten mit dem eines Animateurs im Ferienclub zu haben scheint, Maßnahmen gegen den Lagerkoller erklären: „Da muss man spektakuläre Sachen ins Leben rufen, wie zum Beispiel ein Moorhuhnschießen.“ Der Film ist reich an derartigen Skurrilitäten, die sich keineswegs nur im deutschen Lager finden. Wenn die Leiterin des Supermarktes im nahen Camp der US-Truppen ihre Verkaufsschlager (Teddybären in KFOR-Uniformen, Tassen mit Kosovo-Enblem) vorführt, wähnt man sich nicht minder in Absurdistan. Doch auch wenn der Film derartige Grotesken durch Kameraführung und Montage genüsslich unterstreicht, beschränken sich die Autoren keineswegs darauf, für Lacher zu sorgen. Was auch billig und über die Strecke von 92 Minuten fraglos langweilig wäre. Satt dessen nimmt die Dokumentation den täglichen Frust der fernab von Familien und Freunden Wehrdienstleistenden durchaus ernst. So beschreibt der Truppen-Psychologe sein Primärziel mit der Hoffnung, den Einsatz ohne den Selbstmord eines Soldaten zu überstehen. Darüber hinaus eröffnet die Dokumentation auch Einblicke in die politische Problematik solcher Auslandseinsätze der Bundeswehr: wenn etwa die Unsicherheit unter Rekruten und Offizieren deutlich wird, die im Unterschied zu den Angehörigen andere NATO-Staaten wenig Erfahrung mit solchen Missionen haben. Während man amerikanische GIs lässig durch die Straßen patrouillieren und Kaugummi an Kinder verteilen sieht, haftet ähnlichen Aktionen der deutschen Soldaten oft etwas Verkrampftes an. Dennoch gleitet der Blickwinkel, aus dem das Geschehen hier betrachtet wird, nie in einer journalistischen ab. „Soldatenglück und Gottes Segen“ (mit diesen Worten verabschiedete ein Kommandant jene Soldaten, die im Januar dieses Jahres in ähnlicher Mission nach Afghanistan aufbrachen) ist eindeutig keine Reportage, sondern ein klassischer Dokumentarfilm, der ohne Off-Kommentar auskommt und dezidiert auf filmische Mittel setzt und dabei ebenso informativ wie unterhaltsam daher kommt. Für Letzteres sorgt nicht allein Gunter Gabriel.
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