Ein verarmter italienischer Fürst heiratet des Geldes wegen die Tochter eines amerikanischen Industriellen, der seinerseits dessen ehemalige Geliebte ehelicht. Elegante Merchant-Ivory-Verfilmung des gleichnamigen Henry-James-Romans, die mit verhaltener Ironie die Gegensätze zwischen amerikanischer Lebensart und europäischer Tradition beleuchtet. Ein intelligentes Spiel der Irrungen und Wirrungen, großartig fotografiert und überzeugend gespielt, das in seiner formalen Brillanz allerdings einer vergangenen Epoche verhaftet bleibt.
- Ab 14.
Die goldene Schale
Drama | Großbritannien/USA/Frankreich 2001 | 135 Minuten
Regie: James Ivory
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Filmdaten
- Originaltitel
- THE GOLDEN BOWL
- Produktionsland
- Großbritannien/USA/Frankreich
- Produktionsjahr
- 2001
- Produktionsfirma
- Golden Bowl/Merchant Ivory/TF 1 International
- Regie
- James Ivory
- Buch
- Ruth Prawer Jhabvala
- Kamera
- Tony Pierce-Roberts
- Musik
- Richard Robbins
- Schnitt
- John David Allen
- Darsteller
- Jeremy Northam (Fürst Ameriga) · Kate Beckinsale (Maggie Verver) · Uma Thurman (Charlotte Stant) · Nick Nolte (Adam Verver) · Anjelica Huston (Fanny Assingham)
- Länge
- 135 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 6; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Drama | Literaturverfilmung
- Externe Links
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Heimkino
Diskussion
Nach „Die Europäer“ (fd 22 681) und „Die Damen aus Boston“ (fd 25 170) ist „Die goldene Schale“ der dritte Roman von Henry James, den James Ivory und seine Drehbuchautorin Ruth Prawer Jhabvala für die Leinwand adaptierten. Wie so oft handelt James in „Die goldene Schale“ – den er selbst für seinen gelungensten Roman hielt – mit subtiler Sprachkunst und geradezu analytischer Psychologie den von ihm selbst tief empfundenen Gegensatz zwischen amerikanischer Zivilisation und europäischer Kultur. Und wie so oft legte er das Hauptgewicht – bei einem Minimum an äußerer Handlung – auf die Interpretation zwischenmenschlicher, manchmal auch unbewusster, Konflikte. Ivory beginnt mit einer erfundenen, in Italien während der Renaissancezeit spielenden Methaper: Ein Liebespaar wird beim Ehebruch erwischt und hingerichtet. Dann wechselt die Handlung in die Gegenwart des Romans zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Der verarmte italienische Fürst Amerigo trennt sich von seiner ebenfalls mittellosen Geliebten Charlotte und heiratet deren Freundin Maggie, die Tochter des reichen amerikanischen Kunstmäzens Adam Verver. Charlotte trifft Amerigo in London ein letztes Mal, um mit ihm ein Hochzeitsgeschenk, eine wunderschöne goldene Schale, auszusuchen. Doch dann lässt sie von der Schale, weil diese einen Sprung hat. Zwei Jahre später besucht Charlotte das Ehepaar, das mit Maggies Vater zurückgezogen auf einem englischen Landsitz lebt. Charlotte und Adam Verver verlieben sich ineinander und heiraten. Bald aber zeigt sich, dass Maggie und ihr Vater das ruhige Familienleben vorziehen, während Amerigo und Charlotte das gesellschaftliche Leben bevorzugen; bald lebt ihre alte Beziehung wieder auf. Da sie sich aber geschworen haben, das Glück ihrer Ehepartner und die Unantastbarkeit ihrer Heiratsverträge zu wahren, bleibt die Liason lange unentdeckt – bis Maggie durch einen Zufall just jene Schale kauft, die Amerigo und Charlotte damals nicht erstanden hatten, und eine unbeabsichtigte Indiskretion des Ladenbesitzers einen lange verdrängten Verdacht bestätigt sieht. Maggie konfrontiert Amerigo mit ihrer Erkenntnis, erhält jedoch keine Antwort. Auch Adam spielt den Unwissenden, plant aber insgeheim seine Rückkehr in die Staaten, um mit Maggie dort ein Museum für seine Kunstschätze zu errichten. Mit diesem Entschluß rettet er seine Ehe und die seiner Tochter und gestattet zugleich den beiden Ehebrechern, ihr Gesicht zu wahren.
Es liegt ein feiner ironischer Ton über diesem (un-)moralischen Modell von Edelmut und Geld. Die scheinbar einfache und anrührende Geschichte ist im Grunde eine Falle, in die Vater und Tochter ihre Partner tappen lassen, um sich ihrer dann umso uneingeschränkter bedienen zu können. Adam und Maggie haben das Geld, Amerigo und Charlotte das blaue Blut und Weltgewandtheit. Beide Partien brauchen einander und nutzen sich gegenseitig aus. Man intellektualisiert den Konflikt, anstatt ihn emotional auszutragen: Ein Schachspiel mit Gefühlen, dass die Spieler letztlich zwar matt setzt, sie aber im goldenen Käfig belässt. Die Reflexion der Verhältnisse bleibt zwei „Kunstfiguren“ vorbehalten: Fanny und Bob Assingham, Freunde der Familie, die im wahrsten Sinne des Wortes den Scherbenhaufen (an-)richten. Mit traumwandlerischer Sicherheit erfasst Ivorys Inszenierung den moralischen Impetus der Geschichte, schwelgt im verschwenderischen Ambiente und erweckt die Charaktere zu glaubhaftem Leben. Durch das differenzierte Spiel des Ensembles entsteht rasch eine Vertrautheit mit den Figuren, die über die zeitbedingte Patina der Vorlage hinwegsehen lässt. Nick Nolte , der schon in „Jefferson in Paris“ (fd 31 512) für Ivory vor der Kamera stand, ist wie wenige andere vom Action-Held zum Charakterdarsteller gereift und strahlt ähnlich wie Anjelica Huston eine beeindruckende Souveränität aus. Kate Beckinsales spröder Liebreiz korrespondiert wunderbar mit Uma Thurmans Leidenschaft und Jeremy Northam vereint die Dekadenz des Adels mit der Aziehungskraft seiner weltgewandten Vornehmheit. Mit wohltuender Distanz begleitet Tony Pierce-Roberts’ Kamera die Personen, während Richard Robbins’ symphonische Klänge mit sicherem Gespür für aristrokatische Grandessa die sorgsam kadrierten Bilder untermalen. Man merkt, dass diese beiden Künstler seit Jahrzehnten zur Ivorys Mannschaft gehören und dessen Intentionen blind umzusetzen verstehen. So wirkt „Die goldene Schale“ wie ein Werk aus einem Guss; elegant und ein intelligentes Vergnügen.
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