Nuza Gogoberidse, Lana Gogoberidse und Salomé Alexi sind familiär und künstlerisch eng verbunden. Binnen hundert Jahren haben sie als drei aufeinanderfolgende Generationen von Regisseurinnen aus dem Hause Gogoberidse ein umfangreiches Filmwerk geschaffen. Das Filmmuseum München und das Österreichische Filmmuseum in Wien widmen ihnen im Dezember/Januar eine Retrospektive.
Nachdem das Wiesbadener goEast-Festival 2022 in Kooperation mit der Kinothek Asta Nielsen die weltweit erste Retrospektive der georgischen Regisseurin Lana Gogoberidse organisiert hatte, erweitert das Münchner Filmmuseum diesen Korpus jetzt zwei Jahre später nach vorne und nach hinten. Vom 11. Dezember bis 26. Februar ist nicht nur das Werk von Lana Gogoberidse zu sehen. Es wird vielmehr um das Filmschaffen ihrer Mutter Nuza Gogoberidse und das ihrer Tochter Salomé Alexi ergänzt. Auch das Österreichische Filmmuseum widmet sich Ende des Jahres den georgischen Regisseurinnen. Dort läuft die Retro bis 8. Januar 2025.
Nuza Gogoberidse, die erste georgische Filmemacherin überhaupt, veröffentlicht 1928 gemeinsam mit Micheil Kalatosischwili den Film „Ihr Königreich“. Angespornt von dieser Erfahrung drehte die Regisseurin zwei Jahre später ihre erste Soloarbeit mit „Buba“ (1930). Darin trifft der technische Fortschritt auf die harte Arbeitswelt der Bewohner im Hochgebirge. In „Ujmuri“ (1934) ist die Trockenlegung eines Sumpfes der Schauplatz der Kollision zwischen Tradition und Moderne. Denn die Menschen verehren eine Göttin, die über das Sumpfgebiet herrscht und dem Film seinen Namen gibt.
Damit war die Karriere von Nuza Gogoberidse aber auch schon
beendet, da der Film nach seiner Premiere verboten wurde. Die Regisseurin wurde
inhaftiert, ihr Mann als Staatsfeind ermordet. Zehn Jahre verbrachte Nuza
Gogoberidse in einem Straflager, ehe sie mit 45 Jahren entlassen wurde. Ihre
Tochter, die 1928, im Erscheinungsjahr von „Ihr Königreich“, geboren worden war,
wuchs während dieser Zeit zu einer jungen Frau heran. Obwohl sie ihre Mutter kaum
kannte, wollte Lana Gogoberidse mit einem Filmstudium in ihre Fußstapfen
treten. Das aber blieb ihr zunächst verwehrt, weswegen sie erst Literatur
studierte, ehe sie dann doch am Moskauer Staatlichen Filminstitut (VGIK) Regie
studieren durfte.
In den folgenden Jahrzehnten veröffentlichte Lana Gogoberidse insgesamt 14 Filme. In einem ihrer ersten Werke, „Der Walzer auf der Petschora“ (1965), geht es um die zehnjährige Gefangenschaft ihrer Mutter. Und mit ihrer letzten Veröffentlichung, „Mutter und Tochter, oder die Nacht ist nie zu Ende“ (2023), die in Co-Regie mit ihrer Tochter Salomé Alexi entstand, erzählt sie die Lebensgeschichte ihrer Familie in Form einer Autobiografie, die Liebeserklärung und Trauerarbeit in einem ist. Damit schließt Lana Gogoberidse den Kreis um das von tiefen Narben gekennzeichnete Leben ihrer Mutter und eröffnet ihrer eigenen Tochter das familiäre Vermächtnis.
Die Filme von Lana Gogoberidse zeugen von Weltoffenheit und Lebensbejahung und sind trotz ihrer formalen, stilistischen Art im Bezug auf ihre jeweiligen Subjekte sehr unterschiedlich. Doch auch die Biografie von Lana Gogoberidse zeugte von Vielfältigkeit. Neben ihrer Karriere als Regisseurin war sie politisch aktiv und amtierte lange als Präsidentin der „Kino Women International“-Vereinigung KIWI. Eine andere Leidenschaft, die sie bereits als Studentin entdeckte, ist das Übersetzen literarischer Werke, oftmals englischer Poesie. In der Filmwelt ist sie als Pionierin des feministisch-politischen Kinos bekannt und wird wohl auch in Zukunft nicht nur ihrer eigenen Tochter als Vorbild dienen.
Mit dem Vermächtnis dieser beiden willensstarken Frauen trat
Salomé Alexi ihre Karriere mit dem Spielfilm „Kreditlinie“ (2014)
an. Seit zehn Jahren arbeitet sie an ihrem zweiten eigenen Spielfilm.
Weitere Informationen zu der Retrospektive im Filmmuseum München und im Österreichischen Filmmuseum Wien finden sich auf den jeweiligen Webseiten.