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Serie: Only Murders in the Building - Staffel 4

Vierte Staffel der komödiantischen Murder-Mystery-Serie um drei Hobbydetektive: Deren „True Crime“-Podcast soll nun verfilmt werden; doch als ein neuer Fall ansteht, sorgt die Filmcrew für allerhand Trubel.

Veröffentlicht am
27. August 2024
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Podcasts zu produzieren kann lebensgefährlich sein. Besonders, wenn es sich um einen „True Crime“-Podcast handelt. Einen solchen betreiben der ehemaligen Krimi-Serien-Darsteller Charles (Steve Martin), der wenig erfolgreiche Broadway-Regisseur Oliver (Martin Short) und die angehende Künstlerin Mabel (Selena Gomez). Seit drei Staffeln löst das ungleiche Team Mordfälle von ihrem Apartmentgebäude in der New Yorker Upper West Side aus, wobei es die Hörerschaft an ihren riskanten Spurensuchen teilhaben lässt.

Die Krimi-Serie folgt dem einfachen, aber ungebrochen populären Agatha-Christie-Prinzip des „Murder Mystery“. Ein Mord findet auf begrenztem Raum statt, nach dem alle Verdächtigten verhört und die möglichen Motive so lange erwogen werden, bis schließlich der Täter entlarvt ist. Auch die aktuellen Hercules-Poirot-Verfilmungen durch Kenneth Branagh sowie die „Knives-Out“-Reihe funktionieren nach diesem Schema. Doch im Gegensatz zu klassischen Profis wie Poirot, Benoit Blanc oder Sherlock Holmes ermitteln Charles, Oliver und Mabel als passionierte Laien.

Wie an einem Lagerfeuer

Gerade ihre Fehlbarkeit und die Anfälligkeit für Patzer machen die drei zu sehr charmanten Hauptfiguren. Außerdem lebt „Only Murders in the Building“ vom reizvollen Spiel mit anderen Medien, vor allem mit dem „True Crime“-Podcast-Format, das die drei in Staffel 1 zusammengeführt hat. Die Krimi-Erzählung wird hier zum Gemeinschaft-stiftenden Element, das inmitten des anonymen Gewusels von New York ein wohliges Lagerfeuergefühl erzeugt.

In Staffel 3 verließ die Serie erstmals den Wohnblock und tauchte an der Seite einer Regiearbeit von Oliver in die Welt des Broadways ein. In Staffel 4 geht es nun in die Filmbranche und nach Hollywood. Paramount möchte den erfolgreichen „True Crime“-Podcast des Trios verfilmen; „Let’s talk movies!“, drückt es die Produzentin aus.

Mabel, Charles und Oliver werden nach Los Angeles geflogen und sitzen sichtlich überfordert an einem langen Verhandlungstisch den CEOs und einer Entourage aus Marketing- und Grafik-Menschen gegenüber. In drei Wochen ist Drehstart. Wie viel man für die Rechte an einem Podcast verlangen kann, wissen die drei Hobby-Ermittler nicht. Außerdem fühlt sich Mabel unwohl bei dem Gedanken, von einer Schauspielerin (Eva Longoria) porträtiert und möglicherweise falsch dargestellt zu werden. Doch die finanziellen Aspekte schieben alle Bedenken beiseite; das Geld, dass die Verfilmung einbringt, können die Protagonisten gut gebrauchen.

Das Fenster zum Hof

Dann aber zwingt ein neuer Fall im Apartmenthaus die drei wieder nach New York zurück. Ein Schuss durch eine Fensterscheibe von Charles‘ Wohnung bringt die Ermittlungen ins Rollen. Trachtet ihnen jemand nach dem Leben? Zudem ist Charles‘ Stuntdouble aus seinen Serien-Tagen, Sazz (Jane Lynch), verschwunden. Die drei Hobby-Detektive verdächtigen die Bewohner des gegenüberliegenden West Towers, die auf Charles‘ Wohnung blicken können. Mabel und Oliver geben sich als Locationscouts einer Filmcrew aus, um Zugang zu den Apartments der Verdächtigen zu erlangen. Darunter befinden sich allerlei skurriler Figuren: ein aufbrausender Mann mit Augenklappe, ein Weihnachtsfan und eine hungrige Familie mit Messern und einem Fleischvorrat im Badezimmer. Außerdem steht ein Apartment mit zugezogenen Fenstervorhängen verdächtig leer.

Ihre Recherche wird nicht einfacher, als plötzlich die drei Hollywood-Stars auftauchen, die das Trio in der Podcast-Verfilmung verkörpern sollen. Diese wollen sich auf ihre Rollen vorbereiten, indem sie ihre lebenden Vorbilder studieren. Mabel und Charles sind irritiert bis abweisend, während der selbstverliebte Oliver sich zeitweise mehr um „seinen“ Darsteller als um seine Mitstreiter und eventuelle Bedrohungen kümmert. Auch die Filmcrew erweist sich bei den Ermittlungen eher als Störfaktor.

Eine Serie ist ein Podcast ist ein Film

Über den Fall hinaus mäandert „Only Murders in the Building“ damit fröhlich durch die doppelt metareflexiven Ebenen: eine Serie über eine Verfilmung eines Podcast. Eine Folge sticht dabei formal besonders hervor, da sie als autofiktional-experimenteller Dokumentarfilm inszeniert ist. Diese Episode wird ausschließlich aus Überwachungs-, Smartphone-, Super-8-, Schwarz-weiß- und Drohnenkamerabildern montiert und wirkt audiovisuell komplett anders als die übrigen Folgen. Das ist nicht bloß eine Spielerei, sondern ein Projekt der filmaffinen Grafiker-Zwillinge aus Hollywood, die im Kriminalfall noch eine entscheidende Rolle spielen (O-Ton: „multidimensional perspective of the truth“, bekannt auch als „Rashomon-Effekt“).

Wem das noch nicht „meta“ genug ist, kann sich auf die viele Referenzen stürzen. Allein die Titel der einzelnen Folgen versprechen ein Rätselraten quer durch die Filmgeschichte (etwa „Once Upon a Time in the West“, „Blow up“, „Adaptation“). Im Zentrum der Serie geht es aber um etwas anderes, und nicht einmal um den Kriminalfall. Natürlich gibt es Intrigen und Verbrechen, doch am meisten berühren die zwischenmenschlichen Konflikte. Oliver leidet unter der Fernbeziehung mit seiner Freundin Loretta (Meryl Streep), die in Hollywood ihre Schauspielkarriere fortsetzt. Charles wiederum vermisst Sazz, die ihm nähersteht, als er es sich eingestehen will. Und Mabel verliert ihren Freund Tobert (Jesse Williams) ebenfalls an die Westküste und hadert mit ihren Berufszielen und ihrer Wohnungssituation.

Somit bedroht der neue „True Crime“-Fall nicht nur das Podcast-Trio, sondern stiftet erneut auch einen Gemeinschaftssinn zwischen den drei verlorenen Figuren. Am Ende sind Filme, Serien, Podcasts auch gar nicht so wichtig, wie es sich die Branche gerne einredet und nach außen hin präsentiert. Einmal fällt der kluge Satz: „Being in film is not the only way to be remembered.” Wie wahr.

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