© Reinhold Vorschneider / Schramm Film (aus „Verbrannte Erde“)

Letzte Refugien - Thomas Arslan

Regisseur Thomas Arslan zu seinem Film „Verbrannte Erde“, in dem er die Geschichte des Gangsters Trojan aus „Im Schatten“ (2010) fortsetzt.

Veröffentlicht am
23. August 2024
Diskussion

Mit seinem neuen Film „Verbrannte Erde“ knüpft Thomas Arslan an seine frühere Regie-Arbeit „Im Schatten“ von 2010 an: Der kriminelle Einzelgänger Trojan, erneut gespielt von Mišel Matičević, kehrt noch einmal für einen Gemälderaub nach Berlin zurück. Doch mit seinem spezifischen Moralkodex steht er mehr und mehr allein da. Ein Gespräch über Trojans späte Rückkehr, die Aneignung von Film-noir-Prinzipien und die Möglichkeit einer weiteren Fortsetzung.


Den Helden Ihres neuesten Werks „Verbrannte Erde“ kennt man bereits. Es ist Trojan aus Ihrem Film „Im Schatten“ aus dem Jahr 2010. Der Film ist der zweite Teil einer Trilogie. Warum wollten Sie nach der „Kreuzberg-Trilogie“ noch eine Trilogie drehen?

Thomas Arslan: Das hatte sich aus der Arbeit an „Verbrannte Erde“ so entwickelt. Ich habe Lust darauf, einen abschließenden Teil zu drehen, der einen anderen Schwerpunkt haben soll. Es soll einen Rahmen geben, der nicht ins Endlose führt, sondern auch begrenzt ist.

Warum haben Sie sich für eine Fortsetzung in einem Genre, dem Film noir, entschieden, das Sie davor noch nicht oft behandelt haben?

Arslan: Ich wollte wieder mit Mišel Matičević arbeiten und auch in Berlin drehen. „Im Schatten“ war der letzte Film, den ich in Berlin gedreht habe. Also habe ich das dann verbunden. Für „Im Schatten“ hatten mich Pulp-Romane, zum Beispiel von Richard Stark, inspiriert. Dort sind die Helden serielle Romanfiguren wie in den „Parker“-Romanen, wo der Charakter gleichbleibt und es eigentlich nur um ein neues Projekt geht.


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Viele fanden, dass Sie für „Im Schatten“ von Jean-Pierre Melville inspiriert wurden, während Sie selbst mehr auf den Einfluss von Don Siegel verwiesen haben …

Arslan: Beides, und auch andere Filme. Don Siegels „Der große Coup“ haben wir uns davor angeguckt. Charlie Varrick, den Walter Matthau spielt, ist so ein lakonischer Krimineller. Da habe ich nichts Explizites herausgenommen, aber das waren Filme, die mich auf den Weg gebracht haben.

Apropos lakonisch. „Verbrannte Erde“ verzichtet ja weitestgehend auf Blut und Schaueffekte, wie auch „Im Schatten“. Warum haben Sie für diese Art von Erzählung optiert?

Arslan: Sogenannte Schaueffekte wie Verfolgungsjagden und Ähnliches wurden bereits sehr stark durchdekliniert, das hat man schon oft gesehen. Uns hat formal mehr interessiert, was taktisches Fahren ist, so ein Gleiten durch die Stadt. Es gibt nur einen kurzen Moment am Ende, wo wirklich einmal schnell gefahren wird. Abgesehen davon war das produktionstechnisch auch jenseits von unseren Möglichkeiten. Aber für die Figur der Fluchtfahrerin Diana fand ich es auch interessanter, dass sie einfach die Nerven behält und nicht per se so schnell wie möglich fährt, sondern durch ihr taktisches Fahren in der Lage ist, einen Polizeiwagen abzuhängen.

Professionell: Marie Leuenberger als Fluchtfahrerin (© Reinhold Vorschneider, Schramm Film)
Professionell: Marie Leuenberger als Fluchtfahrerin (© Reinhold Vorschneider, Schramm Film)

Es ist ja auch interessant, dass es eine Fahrerin ist. Das sieht man nicht so häufig, zumal sie als Testfahrerin arbeitet.

Arslan: Ja, Testfahrerin ist ihr offizieller Job. Fluchtfahrerin ist daneben der illegale Job. Was mich an ihrer Figur interessiert hat: In „Im Schatten“ war die Figur der Anwältin eigentlich eher eine Teilzeitkomplizin, die ab und zu mal mitmacht und Trojan wichtige Informationen steckt, aber nicht wirklich in diesem Feld verankert ist. In „Verbrannte Erde“ begegnen sich Trojan und Diana dagegen auf Augenhöhe, was ihre Professionalität anbelangt. Dadurch ist ja auch eine Spannung zwischen den beiden vorhanden – und eine Möglichkeit zu mehr.

Wird dadurch, dass die beiden doch nichts miteinander haben, die Figur des einsamen Wolfes nicht überstilisiert? Das erinnert ja wieder an Melvilles „Eiskalten Engel“.

Arslan: Das ist nicht so stilisiert wie der „Eiskalte Engel“, der ja am Ende auch stirbt. Nach allem, was passiert ist, muss Trojan aber die Stadt verlassen. Das ist nicht unbedingt der Boden für eine Romanze. Das ist in einem gewissen Sinne traurig, dass es eben nicht so kommt. Aber es ist zwingend, dass er wieder die Stadt verlässt.

Mich hat er an einen Geist erinnert. Er taucht aus dem Nirgendwo auf, hinterlässt keine Spuren und taucht wieder im Schatten unter.

Arslan: Ja, Trojan ist natürlich auch eine Kunstfigur. Ich habe mich auch nicht so für die Soziologie von Gangstern interessiert. Er ist ja sowieso kein klassischer Gangster, denn die sind in eine Gang eingebettet, in organisierte Kriminalität, und kommen da in der Regel nicht wieder heraus. Trojan dagegen ist ein Freelancer, der mit Leuten zusammenarbeitet, aber eher unabhängig bleiben möchte. Und gleichzeitig ist er eine Kunstfigur, führt eine nomadenhafte Existenz ohne festen Wohnsitz, hat kein Interesse an Eigentum und ist ständig von einer Stadt zur anderen unterwegs. Das ist natürlich eine sehr zugespitzte Lebensweise.

Wie ein Geist:: Misel Maticevic (© Reinhold Vorschneider, Schramm Film)
Wie ein Geist: Misel Maticevic (© Reinhold Vorschneider, Schramm Film)

Mögen Sie denn Gangster- und Mafiafilme à la Scorsese?

Arslan: Ja, auf jeden Fall. Das interessiert mich als Zuschauer, aber mit den Trojan-Geschichten haben sie nichts zu tun. Denn bei Scorsese gibt es Ersatzfamilienstrukturen. Und das interessiert Trojan ja gar nicht.

Er ist ein Krimineller der alten Schule. Er ist analog. Ist das in unserer heutigen Zeit ein Anachronismus?

Arslan: Das spielt ja eine explizite Rolle, dass diese Form von analogen Jobs, die er gewohnt ist und die er bevorzugt, immer weniger möglich werden. Alles Digitale hinterlässt Spuren. Das versucht er zu vermeiden. Aber diese Form von Jobs gibt es immer seltener, und der Gemälderaub ist dann noch einmal so eine Ausnahme.

Die von Marie-Lou Sellem gespielte Rebecca ist die Schwachstelle bei Trojans Gemälderaub, und Alexander Fehling spielt einen ganz Bösen. War diese Zuspitzung gewollt?

Arslan: Das sind Leute, die schon eine gewisse Professionalität, aber einen anderen Moralkodex haben als Trojan, oder auch gar keinen. Den hat Trojan ja noch: Mit welchen Leuten arbeitet er, wie zieht er diese Jobs durch, was sind die Grenzen? Das ist bei den beiden anderen eben nicht mehr der Fall. Da geht es nur um den eigenen Vorteil. Rebecca hält noch eine Weile stand, aber in der gefährlichen Situation ist sie sich selbst am nächsten.

Warum sollte es ein Gemälde von Caspar David Friedrich sein?

Arslan: Wir wollten ursprünglich im Folkwang Museum in Essen drehen, denn das Bild kommt von dort. Dort haben wir aber keine Dreherlaubnis bekommen. Dennoch hatten sie im Museum einen Pool an Exponaten, die unsere Kriterien erfüllt haben: ein bekannter Maler, ein wertvolles Bild und nicht zu groß, damit es auch einfach zu transportieren ist. Die Rechte für das Bild haben wir bekommen und das Original nachgemalt. In Berlin sind wir dann auf das ehemalige Ethnologische Museum in Dahlem gestoßen. Das befand sich schon mehr oder weniger in Auflösung. Die meisten von den Exponaten sind jetzt schon im Humboldt-Forum. Deswegen war da alles schon in Kisten verpackt, und das konnten wir dann eins zu eins einbauen. Das hat mir sehr gefallen, dass das so ein dysfunktionaler Museumsort ist.

Thomas Arslan bei der Berlinale 2024, wo "Verbrannte Erde" Premiere feierte (© IMAGO/R. Heine/Future Image)
Thomas Arslan bei der Berlinale, wo "Verbrannte Erde" Premiere feierte (© IMAGO/R. Heine/Future Image)

Berlin ist im Film total anonym – warum haben Sie die Stadt dann als Schauplatz ausgesucht?

Arslan: Am Ende gibt es eine Totale, als die Figuren auseinandergehen. Ansonsten ging es uns genau darum, um dieses Unwirtliche. Das bestimmt die Stadt immer mehr in den letzten Jahren. Das wollten wir noch einmal forcieren, das teilweise Gesichtslose. Das war für uns ein großes Thema hinsichtlich der Auswahl der Drehorte.

Verschwindet man an der Peripherie wirklich besser? Trojans Absteigen befinden sich alle am Rand der Stadt …

Arslan: Das sind letzte Refugien, in die man abtauchen kann, wo man bar bezahlen kann. Am Anfang geht es ja darum, dass er versucht, mit seinem letzten Geld durchzukommen, bis er diesen neuen Job aufgetan hat. Solche abgelegenen Orte gibt es, aber die muss man entweder kennen oder suchen, ansonsten ist ja auch alles durchdigitalisiert und hat andere Preise.

Hat Berlin sich dermaßen zum Negativen entwickelt?

Arslan: Ja, das finde ich schon. Das betrifft nicht alle Lebensbereiche, aber es ist schon auffällig, wie drastisch sich das in den letzten 10, 15 Jahren verändert hat – zum Beispiel durch die Eigentumswohnungen, die hier aus dem Boden gestampft werden oder die wirklich überteuerten Mieten, die große Teile der Bevölkerung ausschließen. In der Hinsicht ist es eine sehr abweisende Stadt geworden. Das ist schon eine sehr bedenkliche Entwicklung.

Ist Ihnen eine Treue zu gewissen Schauspielern wie Mišel Matičević, Tamer Yigit oder Uwe Bohm, der ja mittlerweile leider verstorben ist, wichtig?

Arslan: Ja, sofern es geht. Denn es ist nicht immer möglich, etwa im Hinblick auf die Zeit der Schauspieler. Außerdem muss es auch im Hinblick auf die Figuren Sinn machen. Aber es ist schön, auf gemeinsame Erfahrungen zurückzugreifen und dort anzuknüpfen. Dann muss man nicht von null anfangen.

Muss das Publikum wieder 14 Jahre auf den nächsten (und letzten) Trojan-Film warten?

Arslan: Nein, das wollen wir schon zeitnäher schaffen. (lacht)

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