Streng komponiertes Road Movie über die ritualisierte Abendbeschäftigung litauischer "Nightriders", die die Nacht damit verbringen, in ihren Autos durch die Hauptstadt Vilnius zu fahren. Der anfänglich transzendente, minimalistisch inszenierte Spannungsbogen löst sich gegen Ende hinter einer Dreiecksgeschichte auf, mit der das spannende zentrale Motiv der Sinnsuche allzu vorhersehbar ausgeleuchtet wird.
- Ab 16.
LowLights - Eine Nacht, ein Ritual
Road Movie | Litauen/Deutschland 2009 | 94 Minuten
Regie: Ignas Miskinis
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Filmdaten
- Originaltitel
- ARTIMOS SVIESOS
- Produktionsland
- Litauen/Deutschland
- Produktionsjahr
- 2009
- Produktionsfirma
- Tremora/dagstar*film
- Regie
- Ignas Miskinis
- Buch
- Ignas Miskinis
- Kamera
- Rolandas Leonavicius
- Schnitt
- Gesa Marten
- Darsteller
- Julia-Maria Köhler (Vita/Laura) · Jonas Antanelis (Linas) · Dainius Gavenonis (Tadas) · Kiril Glusajew (Whitie) · Juri Padel (Mann im Anzug)
- Länge
- 94 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 6; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Road Movie
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Diskussion
Nächtlicher Spaß als Routine-Veranstaltung: Jeden Abend machen sich in der litauischen Hauptstadt Vilnius die „Nightriders“ auf den Weg. Von Tankstelle zu Tankstelle, immer nur mit zwei Litern im Tank, um bald wieder anhalten zu müssen. Dann geht es weiter zum Treffen beim Einkaufszentrum und zurück auf die Landstraße – Licht aus und trotzdem weitergerast. Der ultimative Kick eines Rituals und eigentlich ein Stoff für eine baltische „Denn sie wissen nicht, was sie tun“-Variante. Doch für den litauischen Regisseur Ignas Miskinis wäre das zu einfach: sein „Nightriders“-Porträt inszeniert er als nüchternes Vexierspiel.
Miskinis’ Helden, zwei ehemalige Schulfreunde, die sich zufällig wiedertreffen, sind nicht mehr ganz jung. Tadas hat eine feste Stellung als Versicherungskaufmann und führt zu Hause eine abgekühlte Liebesbeziehung. Linas ist gerade aus Amerika zurückgekehrt, wo der Traum von einer Karriere als Innenarchitekt geplatzt ist. Gemeinsam lungern sie durch eine unwirtliche, aber gut beleuchtete Gegenwart zwischen vorstädtischen Großparkplätzen, Schnellstraßen und Drive-In-Restaurants. Ein Abenteuer, dessen Zweck sich Tadas nicht sogleich erschließt, bis an einer der Zwischenstationen eine geheimnisvolle Frau auftaucht, die sich am Ende als seine eigene Partnerin entpuppt. Mit seinem unkonventionellen Road Movie begibt sich Miskinis auf die Suche nach dem Sinn im Sinnlosen. Sein neonkaltes, streng komponiertes Drehbuch spiegelt reale Rituale, ohne dokumentarisch sein zu wollen. Dafür tauchen hinter dem lapidaren, oft untergründig gereizten Gestus der Männer schon bald meditative Untertöne auf. Die immergleiche Neonbeleuchtung der immergleichen suburbanen Unorte verbreitet jenen transzendenten Charme zeitentrückter Gleichförmigkeit, wie ihn Clemens Klopfenstein 1978 mit seinem experimentellen Essay „Geschichte der Nacht“ dokumentiert hat. Schade ist, dass sich Miskinis im weiteren Verlauf von diesem spröden Minimalismus abwendet und einen Dreiecksplot einbaut, der die abgeklärte Nachtstimmung ins Szenige steigert. Mit der coolen Vita kommt eine geheimnisvolle Frau ins Spiel, die der männlichen Klientel, vor allem aber Tadas, den Kopf verdreht. Nun jagt man zu dritt dem Sinn dieser Nächte hinterher, in ewigem Transit durch eine klinisch tote Stadt und die eigenen Gefühlswelten. Als Katz- und Mausspiel zwischen Frau und Mann, mit Figuren, die vom Regisseur als Stereotype gezeichnet werden, entwickelt sich ein Kammerspiel in offener Landschaft, das von den bewusst entpsychologisierten Protagonisten allerdings nicht vollständig geschultert werden kann – nicht nur das Ritual wird so zum Klischee, sondern auch der Film selbst. Besonders deutlich wird das im vorhersehbaren Finale: Ein Unfall beendet den tranceartigen Schwebezustand in den Fahrersitzen, womit Tadas die Nähe zu seiner Frau wiederfindet. Ein kathartisches Ende, dessen holzschnittartige Emotionalität kein passender Abschluss ist für diese kaltherzige Meditation über eine unwirtliche Gegenwart, in der wirkliche Gefühle hinter der ritualisierten, aber blutleeren Suche nach dem ultimativen Kick versteckt werden.
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