Leider kommt auch dieser bayerische Mundartfilm nicht mit englischen Untertiteln in unsere Kinos. Es wäre ein schöner Beleg dafür, dass Deutschland in Bayern liegt und nördlich des Weißwurst-Äquators die Sprachunkundigen zu Hause sind. So muss man halt die Ohren spitzen, wenn eine Jagdgesellschaft gleich zu Beginn zwei Wilderern neben deftigen Flüchen auch mehrere Gewehrkugeln hinterherschickt. Eines der Geschosse hätte dem 69-jährigen Brandner Kaspar eigentlich das Lebenslicht ausblasen sollen, doch weil es die bayerische Ausgabe des leiblichen Todes gerade ganz furchtbar fröstelte, wurde nur ein Streifschuss daraus. In der Nacht sucht der Schnitter den Davongekommenen heim, um das göttliche Plansoll nachträglich zu erfüllen, wird von diesem aber erst unter den Tisch gesoffen und dann beim Kartenspiel übers Ohr gehauen. Auf diese Weise trotzt der Brandner Kaspar dem Tod nicht nur einen Aufschub von 21 Jahren ab, sondern fühlt sich auch gleich um ein halbes Leben jünger.
Nachdem Joseph Vilsmaiers Abstecher in die deutsche Geschichte zuletzt immer mehr verunglückten, nimmt er sich nun eines Stücks aus dem bayerischen Nationalgut an. Franz von Kobells „Die Geschichte vom Brandner Kaspar“ wurde bereits 1949 von Josef von Baky verfilmt und feierte den Typus des ebenso knurrigen wie listigen Bayern auf rustikale Art. Ein katholischer Schwank vor dem Herrn ist auch Vilsmaiers Adaption: Auf der Erde dominiert der gutmütige Realismus des Heimatfilms, im Himmel geht es zu wie in einem Bierzelt. Petrus schenkt sich zünftig ein und genießt das himmlische Dasein mit Weißwürsten und Brezeln, während der Brandner Kaspar nach seiner Beinahe-Todeserfahrung mit frischem Mut gegen den schurkischen Bürgermeister zu Felde zieht. Alles scheint sich zum Guten zu wenden, doch dann stirbt Branders hübsche Enkelin durch eine verirrte Kugel, und der Segen des langen Lebens wird ihm zum Fluch.
Seit einigen Jahren erlebt der deutsche Heimatfilm im bayerischen Idiom eine erstaunliche Wiederkehr. Das liegt natürlich an den Erfolgen Markus H. Rosenmüllers („Wer früher stirbt ist länger tot“, fd 37745), aber auch daran, dass die „deutsche Heimat“ Edgar Reitz zum Trotz nun einmal nicht im Hunsrück liegt. Wer an heile Welt denkt, denkt an Bayern, dafür hat nicht zuletzt eine lange Kinotradition gesorgt. Mit Thomas Kronthalers Groteske „Die Scheinheiligen“
(fd 35363) oder Rosenmüllers „Beste Zeit“
(fd 38235) wurde diese erst unlängst wieder modernisiert; Joseph Vilsmaier geht dagegen auf Nummer sicher, wenn er mit seiner Inszenierung auf die Ästhetik des zeitlosen Volksstücks schielt und Originalität einzig in der Besetzung sucht. Das kann man ihm nicht einmal verdenken, auch wenn sein Film dadurch selbst im Vergleich zu Ludwig Thomas Klassiker „Ein Münchner im Himmel“ etwas brav erscheint. Für den größten Gesprächsstoff dürfte Michael „Bully“ Herbigs Interpretation des Schnitters sorgen. Er macht das gar nicht schlecht, greint und katzbuckelt, dass es eine Freude ist, wirkt neben einem bayerischen Urgestein wie Franz Xaver Kroetz aber auch ein wenig deplatziert. Gleiches gilt für Detlev Buck, doch der spielt wenigstens einen Preußen. Im Übrigen bleiben die Welten von Protestantismus und Katholizismus dank getrennter Himmelssphären in alle Ewigkeit geschieden, ebenso wie Ingmar Bergmans Schachpartien gegen den Tod mit Vilsmaiers „Brandner Kaspar“ nichts gemein haben. Mögen sich die Preußen quälen, in Bayern wird in fester Heilsgewissheit mit dem und über den Tod gelacht.