Wie hätte „L.A. Confidental“ als Komödie ausgesehen? In gewisser Weise beantwortet Curtis Hanson diese an sich unsinnige Frage mit „WonderBoys“. Was „Variety“ als Wiederbelebung der „Screwball Comedy“ feiert, ist mindestens ebenso sehr eine erneute Hommage an die „Série Noire“ - diesmal allerdings in Gestalt einer Parodie. An der Universität von Pittsburgh findet alljährlich das „Wordfest“ statt, ein literarischer Jahrmarkt junger Talente und ergrauter Eitelkeiten. Als Literaturprofessor sollte Grady Tripp darin eigentlich von Amtes und seiner ruhmreichen Vergangenheit wegen eine zentrale Rolle spielen. Doch seit seinem sensationellen Debüt sind Jahre vergangen und der einst mit Spannung erwartete zweite Roman ist immer noch nicht fertig, obwohl bereits über 2000 Seiten lang. Nun aber wird der Wunderknabe a.D. gleich von mehreren Seiten bedrängt: von seinem narzisstischen Verleger Crabtree, seinem genialen Schüler James, der lasziv begabten Schülerin Hannah, seiner schwangeren Geliebten Sara, die nebenbei auch noch die Frau seines Chefs ist, und vom penetrant erfolgreichen Rivalen Q - sie alle machen Grady das Leben schwer und vor allem kompliziert. Ganz zu schweigen von einem halbblinden Hund, der schließlich tot in Gradys Wagen landet. Es ist wirklich nicht Gradys Wochenende, denn alle wollen von ihm Entscheidungen, von ihm, der nichts so konsequent verweigert wie gerade dies. Soll er Hannahs eindeutiges Angebot annehmen? Soll er James fördern oder den potentiellen Rivalen ausbooten? Soll er sich offen zu seiner Geliebten bekennen? Und was soll mit dem Hund im Kofferraum geschehen? Vor diesen Fragen läuft Grady davon, gerät in eine bizarre Odyssee und verstrickt sich doch immer tiefer in eine Situation, aus der es kein Entkommen gibt, es sei denn, er entscheidet sich - wofür auch immer.Vom Plot her entspricht „Die WonderBoys“ tatsächlich einer „Screwball Comedy“ - doch die Art und Weise, wie diese Geschichte erzählt wird, verweist eindeutig auf die „Série Noire“: Grady führt als abgeklärter Erzähler selbst durch die Geschichte, das Tempo ist nicht mitreißend hektisch, sondern unwiderstehlich träge, der Tonfall trocken-lakonisch, das Ambiente leicht heruntergekommen. Natürlich regnet es fast ständig, die Nächte sind viel länger als die Tage, und die Leiche im Kofferraum ist einfach nicht loszuwerden. Wie schon in „L.A. Confidental“
(fd 32 868) beweist Hanson sein besonderes Gespür für Stimmungen. Der ganze Film übernimmt den ziellos schlendernden Lebensrhythmus Gradys, scheint kein Ziel und keine Moral zu haben und unterhält gerade deshalb blendend. Das ist neben der homogenen stilistischen Gestaltung auch dem raffinierten Drehbuch von Steve Kloves zu verdanken, von dem man seit seinem brillanten Erstling „Die fabelhaften Baker Boys“
(fd 28 279) leider nichts mehr gehört hat. In mancher Hinsicht erinnert „WonderBoys“ an „The Big Lebowski“
(fd 33 061) - und er hält dem Vergleich stand, auch wenn er visuell unauffälliger daherkommt. Ein Vergnügen ist die Komödie nicht zuletzt dank eines außergewöhnlichen Schauspielerensembles, das sichtlich Spaß an der Selbstironie hat. Allen voran Michael Douglas als dauernd bekiffter, knautschig, ungepflegter Grady Tripp und Robert Downey jr. als smarter, selbstverliebter Verführer. Auch Tobey Maguire glänzt als Gradys jugendliches Alter-Ego und demonstriert einmal mehr, dass er zu den fähigsten Darstellern der jungen Garde gehört, einer, der auf unauffällige Art unwiderstehlich ist.„WonderBoys“ ist ein ungemein amüsanter Slacker-Film für Erwachsene. Für all jene, die sich angesichts der zielstrebigen Jugend geradezu als kindische Tunichtgute vorkommen - und es genießen. Wenn die propere Hannah dem verwuschelten Grady ins Gewissen redet, und ihn darüber aufklärt, dass die Macht der Drogen Schuld an seinem Versagen als Autor trägt - dann kriegt man selbst als bieder Familienvater unwillkürlich Lust auf einen Joint - und kann sich dieser Lust gefahrlos hingeben, weil es ja nur ein Film ist. Man kann mit dem Morbiden flirten, indem man die endlose Aufzählung von Selbstmorden der Filmstars geniest. Und erschaudert wohlig beim Gedanken, den ganzen Tag in einem rosaroten Morgenmantel zu verbringen. In der Fantasie ist das alles möglich, und so hat vielleicht sogar Grady selbst die Sache doch fester im Griff, als man zunächst annimmt - schließlich gibt es da ja noch die Macht der Feder.