An Verfilmungen von Gustave Flauberts „Madame Bovary“ ist besteht kein Mangel. Am berühmtesten sind wohl die von Vincente Minnelli (1949, fd 1153) mit Jennifer Jones und die Version von Claude Chabrol (1991, fd 29 164)
mit Isabelle Huppert. Die neue „Bovary“ ist allerdings die erste Version, die von einer Frau inszeniert wurde: von Sophie Barthes. Allerdings muss man das gar nicht so sehr betonen, weil die Ausbruchsversuche einer unglücklichen Protagonistin aus den Fesseln einer moralisch rigiden Gesellschaft schon bei Flaubert angelegt sind.
Nach einem kurzen Prolog, der das tragische Ende schon vorwegnimmt, und einer raschen Abfolge von Erziehungsritualen in einem Mädcheninternat heiratet Emma den gutmütigen, aber stoischen und sehr langweiligen Arzt Charles Bovary und zieht mit ihm in einen kleinen Ort in der Provinz. Schon die Hochzeitsnacht lässt Emma leidenschaftslos über sich ergehen. In der Folge verweilt die Kamera häufig auf ihrem blassen, unbewegten Gesicht. Ratlos erkundet sie ihre eintönige Umgebung: die spartanisch eingerichteten Räume, den verwilderten Garten, das plötzliche Ortsende nach nur wenigen Schritten. Und dann der Ehemann, der weder Ehrgeiz noch Begehren zeigt. Emma ist wie in jenem Spinnennetz gefangen, das die Kamera, scheinbar beiläufig, einmal einfängt. Die erste Versuchung taucht in Gestalt des Händlers Lheureux auf, der ihr von feiner Seide bis zum eleganten Reitkostüm allerlei aufschwatzt. Zwei andere Männer, der junge, attraktive Jurastudent Leon und der weltgewandte Marquis d’Andervilliers, versprechen hingegen körperliche Liebe und Leidenschaft.
Sophie Barthes versagt dem Film jede Extravaganz. Sie hält sich bezüglich Production Design, natürlichem Licht und virtuoser Kameraarbeit eng an den Realismus, den Flaubert vorgibt. Wo Minnellis Adaption in einem Ball gipfelte, bei dem Emma förmlich in ihrem Traum aufgeht und vor Anstrengung in Ohnmacht zu fallen droht, so dass Diener mit Stühlen die Fensterscheiben zerschlagen, um für Durchzug zu sorgen, verfolgt Emma in der Neufassung ihre Liebhaber in immer neuen wallend-farbenprächtigen Kleidern, deren Anschaffung sie in wachsende Schulden stürzen. Titeldarstellerin Mia Wasikowska wird hier, wie schon in Cary Fukunagas „Jane Eyre“
(fd 40 765), durch die Kleider, die auch immer etwas Statuarisches haben, in die Rolle gezwungen. Der Warmherzigkeit und Natürlichkeit von Jane Eyre setzt Wasikowska die Getriebenheit und Unzufriedenheit der Bovary entgegen, die zwar perfekt die Figur umreißen, aber nicht zur Identifikation einladen. Nur einmal sieht man Emma freundlich lächeln: Als ihr Mann sich endlich bereit erklärt, etwas zu wagen und den Klumpfuß eines jungen Knechts zu operieren, in der Hoffnung, so vielleicht seine Karriere voranzutreiben. Doch die Operation geht schief. „Er ist ein Fleischer, kein Doktor“, zieht Emma kurz darauf über Charles her. Etwas überdeutlich unterstreichen diese Szenen Emmas Sehnsucht nach einem anderen Leben. Allerdings ist die Flucht aus den Konventionen einer eng gesteckten Welt zum Scheitern verurteilt.