Lächeln, lächeln, lächeln: Das ist der Weg des US-amerikanischen Radrenn-Profis Lance Armstrong, mit den Unbilden des Lebens umzugehen. Mit den Doping-Anschuldigungen wie mit der Enttäuschung über den dritten Platz bei seinem Comeback zur Tour de France. Es ist eine Methode, die lange Jahre gut funktioniert – bis zum tiefen Fall des mythisch überhöhten Supersportlers als Lügner und Betrüger. Der britische Regisseur Stephen Frears hat sich nach „Die Queen“ (2006) erneut der Herausforderung gestellt, eine noch lebende Persönlichkeit in einem Spielfilm zu porträtieren. Was bei Lance Armstrong ein wohl ungleich schwierigeres Unterfangen ist, weil die dargestellten Abgründe hier deutlich tiefer sind als beim Biopic über die Königin; auch sind die Sympathien des Regisseurs für seine Hauptfigur diesmal durchaus überschaubar. Inspiriert wurde der Film von dem Roman „Seven Deadly Sins“ des irischen Sportjournalisten David Walsh, der in Gestalt des Schauspielers Chris O’Dowd als investigativer Reporter eine zentrale Rolle spielt. Selbstbewusst verwendet Frears hier fast nur Klarnamen: Der Drogenarzt Michele Ferrari, Teammanager Johan Bruyneel, Armstrongs Agent Bill Stapleton oder der Radprofi Floyd Landis werden mit ihren echten Namen genannt. Die intimeren Momente des Films sind zwangsläufig fiktiv, doch das Meiste ist belegt, nicht zuletzt deshalb, weil Radrennen, Interviews und Pressekonferenzen meist vor laufenden Kameras stattfanden. Am Beginn steht ein Interview zwischen David Walsh und dem 21-jährigen Tour-Debütanten Armstrong, der auf die Frage nach der tieferen Metaphorik des Radfahrens geradeheraus antwortet: „Ich liebe es einfach, Rad zu fahren.“ Im Fortgang erzählt der handwerklich perfekt gestaltete Film dann, wie sich Armstrong mit seinem unstillbaren Siegeshunger, der Doping begünstigenden Struktur des Radsports, einer zunehmend professionellen medizinischen Leistungssteigerung und dem Druck durch die eigenen Erfolge davon immer mehr entfernte und in einem doppelbödigen System verhedderte. Der Film umfasst zwanzig Jahre – von 1993 bis zu Armstrongs Doping-Geständnis bei Oprah Winfrey im Jahr 2013. Die Inszenierung will den realen Krimi spannend und unterhaltsam nacherzählen, aber mindestens ebenso sehr geht es um die Psychologie von Armstrong, dem Kopf hinter der „größten Dopingverschwörung aller Zeiten“, so Travis Tygart, Chef der US-Anti-Doping-Agentur USADA. Beides gelingt mit Bravour. Und zwar nicht nur, weil die Inszenierung die Emotionen gut austariert: Der Film zeigt Armstrong, der skrupellos dopt und für den der Sieg jedes Mittel heiligt; seine Egozentrik und Eitelkeit bereitet größtes Unbehagen. Der Film porträtiert ihn aber auch als einen Mann, der als charismatischer Kämpfer millionenfach Menschen für sich begeistert. Es ist die große Leistung des Films und seines nuancenreich aufspielenden Hauptdarstellers Ben Foster, die Figur des texanischen Ausnahmeathleten schillern zu lassen. Von Beginn an sieht man den Radprofi als Teilnehmer am „Programm“ des Dopingarztes Michele Ferrari, beim Spritzen von Epo. Dennoch lässt man sich emotional einfangen und versteht die Begeisterung, die der siebenfache Tour-Gewinner und Krebsbezwinger weckt, die Sehnsucht danach, einen vermeintlichen Übermenschen zu bewundern. „Ich erzähle ihnen nur, was sie hören wollen“, sagt Lance einmal, und hat damit nicht ganz Unrecht. Insofern ist „The Program“ auch ein beeindruckendes Stück über die wechselseitige Wirkungsmacht zwischen Idol und Bewunderern. Dennoch erliegt der Film nie der Gefahr, Armstrongs Verhalten wie auch das seiner dopenden Kollegen zu rechtfertigen. Im Gegenteil: „The Program“ enthüllt das betrügerische Vorgehen als Ausverkauf der sportlichen Ideale. Pointiert verdichtet im Bild des fast leeren Fahrrad-Wagens, als Armstrongs Team einen Teil der Räder verkaufen muss, um das Doping-Programm bezahlen zu können.