Eine 47-jährige Frau wird von ihrem Ehemann verlassen, weil dieser aus den Bahnen des allzu Vertrauen ausbrechen möchte. Sie versucht, sich mit diesem Wendepunkt ihres Lebens ebenfalls zu arrangieren, und lässt sich auf Bekanntschaften mit anderen Männern ein. Ein erstaunlicher "Abenteuerfilm" über Geschlechterrollen und Identitäten, versetzt mit semidokumentarischen Szenen, mal bestürzend seltsam, zumeist hochgradig komisch, dargeboten von erfrischend unverbrauchten Schauspielern. Ein authentischer Blick auf die Versuche von Menschen mittleren Alters, ihre Glücksvorstellungen miteinander zu synchronisieren.
- Ab 16.
Silvi
Drama | Deutschland 2013 | 96 (24 B./sec.)/93 (25 B./sec.) Minuten
Regie: Nico Sommer
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Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2013
- Produktionsfirma
- Süsssauer
- Regie
- Nico Sommer
- Buch
- Nico Sommer · Julia Stiebe
- Kamera
- Alexander du Prel
- Schnitt
- Nico Sommer · Bernhard Strubel
- Darsteller
- Lina Wendel (Silvi) · Thorsten Merten (Michael) · Peter Trabner (Thomas) · Gerdy Zint (Paul) · Harald Polzin (Uwe)
- Länge
- 96 (24 B.
sec.)
93 (25 B.
sec.) Minuten - Kinostart
- 03.10.2013
- Fsk
- ab 16; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Drama
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Diskussion
Was für ein Auftakt! Nach dem obligatorischen Wocheneinkauf erinnert sich Michael plötzlich an das Bier im Kofferraum, fährt rechts ran, holt sich eine Flasche, trinkt, lamentiert über seinen Ehealltag – und steigt einfach aus. Aus dem Auto und aus der Ehe mit Silvi, die ihm konsterniert vom Beifahrersitz aus hinterhersieht. Später, wenn sie sich vom Schock der plötzlichen Trennung erholt hat, sagt sie ihm auf den Kopf zu, dass er ja ohnehin nie etwas für sie getan habe. Doch zunächst einmal steht die 47-Jährige etwas ratlos vor den Trümmern ihrer bisherigen Existenz und beginnt, von sich zu erzählen. Was zunächst einmal ein Lernprozess, ein Staunen ist, denn Silvi hatte bislang ja nur Michael „gehabt“ und muss sich jetzt neu entwerfen. „Junger Tag, ich frage dich / Was ist dein Geschenk an mich? / Bringst du Tränen von gestern zurück / Oder neue Liebe und neues Glück?“, singt Gitte Haenning im Soundtrack, was den schönen Effekt hat, die Figur der Silvi zu erden. Der Qualitätsschlager als Therapeutikum. Eine gute Bekannte gibt Silvi den Rat, sich einen oder mehrere „Neue“ zu suchen, sich mit denen aber nur außerhalb der eigenen Wohnung zu treffen. In der eigenen Wohnung sei das „Nestbeschmutzung“.
Also trifft Silvi Männer, die ihrerseits Geschichte, Macken und Vorlieben haben. Doch im Wunderland der Triebe ist nichts so, wie es (zunächst) scheint. Der charmante Busfahrer bringt zum ersten Date zwar gleich seinen Schichtplan mit, verliert aber über der Frage nach seiner Festnetznummer leicht die Beherrschung. Ein anderer, zuvorkommend und höflich, fabuliert von einem Raum, um gegenseitig verborgene persönliche Fantasien auszuleben: Augen verbinden, tastend Nähe erkunden, mit Lack und Leder, Schmerz und Dominanz. Silvi staunt nicht schlecht, was für exzentrische Dinge das Liebesleben bereithält. Vielleicht auch noch Drogen? Allerdings ist bald der Punkt erreicht, wo die Neugier an eine Grenze kommt, die zu überschreiten Silvis Selbstverständnis nicht zulässt. Der dritte Mann scheint ein Glücksfall. Platzt er doch fast vor Glück, als er Silvi kennenlernt. Macht Komplimente, ist euphorisch und ruft seine Liebe buchstäblich in die Welt hinaus, als sei er in einem Film. Silvi, überrascht von so viel emotionalem Überschuss, lässt ihn in ihre Wohnung und erlebt am nächsten Morgen eine böse Überraschung.
Regisseur Nico Sommer (Jahrgang 1983) hat an der Kunsthochschule Kassel Spiel- und Dokumentarfilmregie studiert. Diese Kombination erklärt vielleicht, warum ihm mit „Silvi“ ein erstaunlicher Hybrid gelungen ist: ein Abenteuerfilm über Geschlechterrollen, Identitäten und diesbezügliche Ungleichzeitigkeiten in der Lebensmitte, versetzt mit semi-dokumentarischen Szenen mit hohem improvisatorischen Anteil, mal bestürzend seltsam, zumeist hochgradig komisch, dargeboten von unverbrauchten, frischen Darstellern, denen man auch überraschende Wendungen abnimmt. Man sieht einer Gruppe von Menschen mittleren Alters mit unterschiedlichen Erfahrungshorizonten bei der Arbeit zu, ihre Glücksvorstellungen miteinander zu synchronisieren. Was mit zunehmendem Alter deutlich schwieriger zu sein scheint. Der Inszenierung gelingt ein authentischer Blick auf die sich dabei einstellenden Verwerfungen, ohne sich über die Figuren denunziatorisch zu erheben. Songs von Gitte Haenning wie „So schön kann doch kein Mann sein“ oder „Junger Tag“ weben zudem eine latent epische Spur von ironischer Überhöhung und distanzierender Brechung in den Diskurs ein. Um Silvi, so viel scheint klar, muss man sich keine Sorgen machen.
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