Eine Art Meta-Film über Stanley Kubricks Klassiker „Shining“ aus dem Jahr 1980 oder besser: über die Leidenschaft, mit der Kubricks Film beobachtet, gestoppt, vorgespult, vergrößert und interpretiert wird. Das faszinierende, höchst raffiniert montierte Sammelsurium aus Verschwörungstheorien und intensiver Detail-Lektüre folgt fünf sorgfältigen Beobachtern, die Anspielungen vom Holocaust bis zur Mondlandung entdecken, die der Films entweder suggestiv bestätigt oder aber widerlegt. Vor allem fordert er zum intensiven Zuschauen und Hören auf und feiert den Bedeutungsüberschuss der filmischen Erzählung. (O.m.d.U.)
- Ab 16.
Room 237
Dokumentarfilm | USA 2012 | 107 (24 B./sec.)/103 (25 B./sec.) Minuten
Regie: Rodney Ascher
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Filmdaten
- Originaltitel
- ROOM 237
- Produktionsland
- USA
- Produktionsjahr
- 2012
- Produktionsfirma
- Highland Park Classics
- Regie
- Rodney Ascher
- Buch
- Rodney Ascher
- Kamera
- Mark Boswell · Brian Kallies
- Musik
- William Hutson · Jonathan Snipes
- Schnitt
- Rodney Ascher
- Länge
- 107 (24 B.
sec.)
103 (25 B.
sec.) Minuten - Kinostart
- 19.09.2013
- Fsk
- ab 16; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Diskussion
Rodney Ascher ist ein hinterlistiger Regisseur. Seinen Meta-Film „Room 237“ über Stanley Kubricks „Shining“ (fd 22 670), oder besser: über die Leidenschaft, mit der dieser Film beobachtet, gestoppt, vorgespult, vergrößert und interpretiert wird, beginnt er mit Backpulver. Die Marke, die in manchem Gespräch der Figuren auffällig-unauffällig im Hintergrund auf einem Regal steht, heißt „Calumet“: Friedenspfeife. Der federgeschmückte Kopf eines Häuptlings ist auf den Dosen zu sehen. Das verfluchte Hotel Overlook, so erfährt man eingangs bei Kubrick wie auch bei Ascher, wurde auf einem alten Indianerfriedhof errichtet. „Shining“, da ist sich der Journalist Bill Blakemore sicher, handelt eigentlich vom Völkermord an den amerikanischen Ureinwohnern.
Wer dies schon unglaubwürdig findet, für den hält – das ist das Hinterlistige an Aschers Montage – „Room 237“ noch einige haarsträubende Überraschungen bereit. Kubrick galt als detailversessener Regisseur, und „Shining“ wurde von Anfang an, mal anerkennend, mal eher vorwurfsvoll, als Essay über den Horrorfilm verstanden, als intellektuelle Analyse eines Genres, weniger als manipulatives Affektekino.
Diese Backpulver-Dosen muss jemand ausgesucht und vor den Dreharbeiten aufs Regal gestellt haben. Doch erzählt Kubrick auch vom Holocaust? Hat er die Mondlandung inszeniert und in seinem Werk subtile Hinweise verstreut, die von der Pein erzählen, eine unterdrückte Wahrheit geheim zu halten? Ist das wirklich Kubricks Gesicht, dort oben in den Wolken, bei der einsamen Fahrt der Familie Torrance auf einer Bergstraße ins abgelegene Hotel?
Die Stärke von Aschers Experiment besteht darin, den Zuschauer aktiv an der Spurensuche teilhaben zu lassen. Fünf Kubrick-Exegeten kommen zu Wort, aber nie ins Bild. So trennt Ascher die Gestaltungsmittel des Kinos: Die Informationen, die über den Ton beim Zuschauer ankommen, sind dicht, man muss aufmerksam zuhören. Dann folgt der Transfer auf die Bildebene, die nur scheinbar das Gesagte untermalt. Sie insistiert eher, fordert zur Überprüfung der Behauptungen auf. Da müsste es jetzt zu sehen sein, Kubricks Gesicht in den Wolken. Ist es da? Man darf wohl feststellen: eher nicht. Eindeutiger als mit dieser Form der Suggestion wertet Ascher die Theorien der Experten nie aus.
Regelmäßig füllt er seinen Film jedoch mit eigenen Anspielungen, wie sie so vielfältig in „Shining“ vermutet werden. Er zeigt – und das durchaus repetitiv, manche Einstellungen kommen drei, vier Mal vor – nicht nur Szenen aus Kubricks Arbeiten, sondern zitiert sich munter durch die Filmgeschichte. Die damit erreichten Interpretationsspielräume eröffnen sich wohl nur eingefleischten Fans, vielleicht auch Bildungsbürgern, am ehesten aber wohl den Filmarchäologen, die beides zugleich sind.
Am auffälligsten sind zwei Referenzen: Wenn von Kubricks angeblichen Holocaust-Anspielungen die Rede ist, dann sinkt die Düsternis von Murnaus „Faust“ auf die Leinwand. Und wo immer das Kino als Ort der intensiven, auch sozialen Erfahrung eine Rolle spielt, da zeigt Ascher den trügerisch harmlosen Beginn von Lamberto Bavas B-Horrorfilm „Dämonen 2“ (1985). Am Ende infiziert das Kino hier die ganze Welt mit seiner todbringenden Seuche.
Wer dies schon unglaubwürdig findet, für den hält – das ist das Hinterlistige an Aschers Montage – „Room 237“ noch einige haarsträubende Überraschungen bereit. Kubrick galt als detailversessener Regisseur, und „Shining“ wurde von Anfang an, mal anerkennend, mal eher vorwurfsvoll, als Essay über den Horrorfilm verstanden, als intellektuelle Analyse eines Genres, weniger als manipulatives Affektekino.
Diese Backpulver-Dosen muss jemand ausgesucht und vor den Dreharbeiten aufs Regal gestellt haben. Doch erzählt Kubrick auch vom Holocaust? Hat er die Mondlandung inszeniert und in seinem Werk subtile Hinweise verstreut, die von der Pein erzählen, eine unterdrückte Wahrheit geheim zu halten? Ist das wirklich Kubricks Gesicht, dort oben in den Wolken, bei der einsamen Fahrt der Familie Torrance auf einer Bergstraße ins abgelegene Hotel?
Die Stärke von Aschers Experiment besteht darin, den Zuschauer aktiv an der Spurensuche teilhaben zu lassen. Fünf Kubrick-Exegeten kommen zu Wort, aber nie ins Bild. So trennt Ascher die Gestaltungsmittel des Kinos: Die Informationen, die über den Ton beim Zuschauer ankommen, sind dicht, man muss aufmerksam zuhören. Dann folgt der Transfer auf die Bildebene, die nur scheinbar das Gesagte untermalt. Sie insistiert eher, fordert zur Überprüfung der Behauptungen auf. Da müsste es jetzt zu sehen sein, Kubricks Gesicht in den Wolken. Ist es da? Man darf wohl feststellen: eher nicht. Eindeutiger als mit dieser Form der Suggestion wertet Ascher die Theorien der Experten nie aus.
Regelmäßig füllt er seinen Film jedoch mit eigenen Anspielungen, wie sie so vielfältig in „Shining“ vermutet werden. Er zeigt – und das durchaus repetitiv, manche Einstellungen kommen drei, vier Mal vor – nicht nur Szenen aus Kubricks Arbeiten, sondern zitiert sich munter durch die Filmgeschichte. Die damit erreichten Interpretationsspielräume eröffnen sich wohl nur eingefleischten Fans, vielleicht auch Bildungsbürgern, am ehesten aber wohl den Filmarchäologen, die beides zugleich sind.
Am auffälligsten sind zwei Referenzen: Wenn von Kubricks angeblichen Holocaust-Anspielungen die Rede ist, dann sinkt die Düsternis von Murnaus „Faust“ auf die Leinwand. Und wo immer das Kino als Ort der intensiven, auch sozialen Erfahrung eine Rolle spielt, da zeigt Ascher den trügerisch harmlosen Beginn von Lamberto Bavas B-Horrorfilm „Dämonen 2“ (1985). Am Ende infiziert das Kino hier die ganze Welt mit seiner todbringenden Seuche.
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