Nostalgie ist das Schlüsselwort. Der Film „Mittwoch 04:45“ beschwört Nostalgie auf drei Ebenen: in seiner Neo-Noir-Ästhetik der 1990er-Jahre, in seiner inhaltlichen Anknüpfung an amerikanische Hardboiled-Krimis, und er spielt im Lauf seiner Geschichte regelmäßig melancholische Momente aus, in denen die Helden sich an bessere Tage erinnern, an ihre vielversprechende Jugend im Kriminellen-Milieu oder einfach an Griechenland vor der Finanzkrise, als es seine Schulden noch zurückzahlen konnte. Im Winter 2010 aber bricht rundherum die Wirtschaft zusammen, und da sind Schulden gleichbedeutend mit Pleite.
Darauf reagieren in Athen selbst die Betrüger mit Panik. Ein rumänischer Kredithai macht seinen Schuldnern Druck, darunter dem Clubbesitzer Stelios. Der leiht sich seit einem Jahrzehnt schon Geld bei ihm; obwohl auch er genug Schuldverschreibungen in der Schublade hat, ist er nicht flüssig genug, um seine Raten zurückzuzahlen. Also setzt der Rumäne ihm eine Frist. Die Geschichte beginnt Montag um 22:47 Uhr; Stelios hat Zeit bis Mittwochmorgen, um Geld aufzutreiben. Der rumänische Gläubiger referiert im Bademantel sehr freundlich über das Leid am Kapitalismus, lässt aber zwischendurch auch durchblicken, dass er mehr über Stelios’ Kinder weiß als dieser selbst. Drohungen gegen den Nachwuchs sind bekanntlich ja das beste Druckmittel für die Eltern.
Der Film gehört zu jenen, die nur das Ende einer Geschichte erzählen, hier ein bitteres Ende, das mit Problemen beginnt und mit einem „Mexican standoff“ aufhört, einer Pattsituation, in der sich beide Seiten mit gezogenen Waffen gegenüberstehen. Dass es davor ein Glück gegeben haben muss, wird manchmal im sanften Licht von Stelios’ Jazzclub „Summertown“ sichtbar, oder in der Architektur Athens, die hoch und glänzend aufragt. Aber in der Gegenwart ist alles leer – der Club, die Straßen, die Gesichter der Protagonisten, die erstarrt sind bei all der Mühe, ihre Angst zu verbergen. Dafür setzt Regisseur Alexis Alexiou sie in umso schönere Bilder. Grünes Neon, gelbe Nacht, er zeigt die verschwimmende Wahrnehmung der Gehetzten. Nur manchmal unterbricht er die Bewegung durch eine helle, ruhige Stadttotale, wie durch ein Luftholen.
Um das Tempo zu steigern, unterteilt Alexiou seinen Film in Kapitel, von denen jedes eingangs die Uhrzeit anzeigt. Während so die Zeit sichtbar verstreicht, sucht Stelios schlaflos nach Geldgebern. Gleichzeitig muss er sich um gewöhnliche Dinge kümmern, um die Ehe, die Geliebte, die Musikanlage im Club oder die Band für den nächsten Abend. Diese Vermischung des Alltags mit der Erpressung öffnet der Geschichte auch andere Milieus als das des Verbrechens. Stelios fungiert als eine Art Seismograph, der ungewöhnliche Erschütterungen registriert, nicht nur zwischen Gangstern, sondern überall in der krisengeschüttelten Stadt.
In den häufig eingespielten Fernsehnachrichten sieht man, wie sich die Werte einer ganzen Gesellschaft öffentlich aufzulösen scheinen, und das Gleiche passiert mit dem Ehrenkodex der Kriminellen. Eine neue Härte macht sich breit, die aus Hilflosigkeit und Gier erwächst. Stelios ist in seiner Umgebung der Einzige, der noch etwas anderes liebt als das Geld: nämlich Musik. Aber Musik, soviel wird in diesem manchmal sehr sentimentalen Genrestück klar, kann auf Dauer der Gier nicht standhalten.