Selten war der Titel eines Films so programmatisch wie bei diesem Spielfilmdebüt, eine Mixtur aus dem Nachnamen der Dokumentarfilmregisseurin Frauke Finsterwalder und dem Roman „Faserland“ ihres Ehemannes Christian Kracht. Sein Generationsporträt aus dem Jahr 1995 las sich seinerzeit als eine Deutschlandvermessung der befreiend desillusionierten Art, geschrieben aus der Sicht eines sozial privilegierten Twentysomething-Helden, der sowohl gegen die eigene, im exklusiven Konsum ihr Heil suchende Schicht als auch gegen die realitätsfremde Weltverbesserungsromantik der 1968er-Lehrergeneration mit beißend ambivalentem Spott anschrieb und dabei unter der endlosen Party-Oberfläche zwischen Sylt und München ein schmerzgesättigtes Unbehagen an der postmodernen Gegenwart einfing. Umso erstaunlicher ist es, dass seine unverwechselbare Sicht auf die um Sinnfragen ringende deutsche Wohlstandsgesellschaft auch knapp 20 Jahre später immer noch funktioniert und mit nadelstichpräzisen Beobachtungen aufzuwarten vermag.
Die Kamera taucht das Angela-Merkel-Land von heute in die lichtgewärmten Farben eines verlogenen Heile-Welt-Werbeclips, während die Figuren hinter ihrer funktionstüchtigen Fassade in tiefer Traurigkeit zu versinken scheinen. Die Ingredienzen dieser mit einem Song von Cat Stevens und Bildern vom deutschen Wald eingeführten Heimat-Satire stammen unverkennbar aus Krachts eigenwilligem Provokations-Baukasten, allen voran die Konstellation um die Eliteinternat-Schüler, die von ihrem links angehauchten Lehrer (gespielt von Christoph Bach), zur Konfrontation mit der deutschen Geschichte in ein ehemaliges KZ gezerrt werden. Die verordnete Moral-Lektion quittieren die verzogenen Leistungsträgerkinder mit zynischen „krass“-Kommentaren und pietätlosen Späßchen, indem sie eine schlagkräftig Paroli bietende Mitschülerin (Carla Juri) aus Rache an ihrer geistigen Überlegenheit in einen Verbrennungsofen sperren und die grausame Tat dem in seinem gutmütigen Aufklärungsseifer heillos überforderten Lehrer in die Schuhe schieben.
Weitere Mitspieler in dem zwischenmenschlichen Gruselkabinett sind ein exzentrischer Fußpfleger, der einer vernachlässigten Altenheim-Seniorin (Margit Carstensen) in Sachen Fuß- und Seelenmassage zu Diensten ist, deren treuloser Sohn samt seiner chronisch über den deutschen Servicenotstand nörgelnden Ehefrau als selbstbesoffenes Autisten-Paar, das in einem gepanzerten Geländewagen über die Hässlichkeit der Umwelt und die Gründe für die Unbeliebtheit der Deutschen im Ausland sinniert; überdies ein Mitschüler ihres bis zur Karikatur germanisch sadistisch auftretenden Filius, der von der Klassenfahrt aus Liebeskummer desertiert, und, wie es der Zufall eines abenteuerlich gestrickten Episodenfilms will, von einem Wald-Eremiten erschossen wird, dem die Zerstörung seiner liebevoll selbstgebauten Holzbehausung durch Unbekannte reichlich zugesetzt hat. Zu guter Letzt ein ungleiches Pärchen, eine selbstzentrierte und verbissen mit den Tücken ihres Berufs hadernde Dokumentarfilmerin, und ein im Privaten unterforderter, zur bizarren Travestie neigender Polizist, die in aufs Komischste zugespitzten Dialogen ihren täglichen Beziehungswahnsinn zelebrieren.
Allein schon diese schonungslos auf den Spuren von Woody Allen austeilenden Kampfszenen zwischen Sandra Hüller und Ronald Zehrfeld sind des Hinkniens wert. Doch nicht alles glänzt in diesem tragikomischen Reigen über Liebesentzug und seine abgründig-fatalen Konsequenzen. Mancher Abstecher in die Toiletten-Philosophien heranwachsender „High Potentials“ ermüdet ebenso wie die allzu selbstläuferischen Witze auf Kosten irrwitziger Heimatlieder. Der einen oder anderen Ekelepisode hätte man finsterere Akzente gewünscht. Die bittere Pille kommt gelegentlich zu geschmacksneutral daher. Es hätte hinter dem grotesken Selbstschutz einer tiefliegenden Tristesse ruhig noch mehr schmerzen können. Dank der vorbildlich ausgewählten Schauspieler aber, von der grandios zynisch verhärteten Corinna Harfouch bis zum stumm-intensiv aufspielenden Johannes Krisch als der menschlichen Bosheit überdrüssiger Einsiedler ist trotzdem ein Stück großes Diagnose-Kino entstanden, das vor der Benennung deutscher Eigenheiten nicht zurückschreckt und sich dabei an so etwas wie schwarzen Humor made in Germany versucht. Eine toxisch anziehende Erstlingsperle, die bei diesem sich fruchtbar ergänzenden Gespann auf Großes hoffen lässt.