Concussion - Leichte Erschütterung

Drama | USA 2013 | 96 Minuten

Regie: Stacie Passon

Eine Frau in einer lesbischen Beziehung merkt, dass sie ihre Rolle als Hausfrau, Mutter und Partnerin nicht mehr erfüllt. Sie sucht nach Auswegen aus den Widersprüchlichkeiten und beginnt, unter anderer Identität in der Stadt als Prostituierte zu arbeiten. Ein ambitioniertes, mit Sinn für Humor inszeniertes Drama, das ein neues Kapitel im queeren Kino einläutet. Der genaue Blick auf den sozialen Habitus und seine stringente Form machen den Film darüber hinaus zu einer scharfsinnigen Abhandlung über das Vorstadtmilieu. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
CONCUSSION
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2013
Produktionsfirma
93 Films
Regie
Stacie Passon
Buch
Stacie Passon
Kamera
David Kruta
Musik
Barb Morrison
Schnitt
Anthony Cupo
Darsteller
Robin Weigert (Abby Ableman / Eleanor) · Julie Fain Lawrence (Kate Ableman) · Maren Shapero (Mayer Ableman) · Micah Shapero (Jake Ableman) · Janel Moloney (Pru)
Länge
96 Minuten
Kinostart
05.12.2013
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama
Externe Links
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Diskussion
„Oh, you pretty things“, singt David Bowie im Vorspann. Das ist ein ziemlich bissiger Auftakt für einen Film, der in einem Fitnessstudio in New Jersey beginnt – mit Bildern gut situierter, wohl geformter Mittvierziger-Hausfrauen, die sich schwitzend auf ihren Spinning-Rädern abstrampeln. Spinning, Hot Yoga, Soja-Latte, kultivierte Abendessen, Garten- und Hausarbeit, Ehe- und Elternpflichten: das sind im Wesentlichen die Koordinaten eines in Routine erstickten Lebens, wie es Abby Ableman, Ehefrau einer erfolgreichen Anwältin und Mutter zweier Kinder, seit einigen Jahren führt. Die Titel gebende Gehirnerschütterung, die sie sich zu Anfang zuzieht – ihr Sohn wirft ihr versehentlich einen Baseball an den Schädel –, ist dabei natürlich mehr als eine den Kopf betreffende Angelegenheit: Abby leidet an einer Midlife-Krise (bei Bowie nennt sich das „crack in the sky“), und sie ist sexuell frustriert, wie eine Szene im Ehebett unmissverständlich deutlich macht. „Concussion“ markiert ein neues Kapitel im queeren (und lesbischen) Kino. Gleichgeschlechtliche Partnerschaften und Ehen sind hier nicht nur in der Mitte der Gesellschaft und nach den urbanen Zentren auch in den Vorstädten angekommen; auch der heterosexuell konnotierte Suburbia-Ennui hat sich in Stacie Passons Debütfilm zur geschlechterübergreifenden Krise ausgewachsen. Da hatte Rose Troche, die Produzentin des Films, vor zwei Jahrzehnten noch an ganz anderen (identitätspolitischen) Fronten zu kämpfen: in ihrem Film „Go Fish“ (1994), der auch das akademische Umfeld der Women Studies streift, ging es unter anderem noch um Themen wie feministische Geschichtsschreibung, butch/femme-Dichotomien und ob gelegentlicher Sex mit Männern ein lesbisches Selbstverständnis disqualifiziert. In „Concussion“ erinnert nur noch ein Plakat der Künstlerinnengruppe Guerilla Girls an den feministischen Aktivismus und seine Debatten. Die vormals auf so erhitzte Weise diskutierten Kategorisierungen und Grenzziehungen haben sich aufgelöst. Als Abby die Angebote eines Sexdienstes wahrzunehmen beginnt und schließlich selbst als Anbieterin namens Eleanor auftritt, wird sie schlicht und pragmatisch als „reifere Frau“ charakterisiert. Auch ihre Kundinnen sprengen die Grenzen fester Rollenzuschreibungen: heterosexuelle Frauen, die aus Enttäuschung oder Neugierde kommen, sind ebenso vertreten wie eine dickliche Studentin, die in ihrem Leben noch nie Sex hatte. „Concussion“ ist sicherlich keine lesbische „Belle de Jour“-Version aus dem Kosmos der amerikanischen Vorstadt, wie es die Inhaltsangabe glauben machen könnte. Ganz widerstandsfrei ist das Ausleben der Sexualität eben doch nicht umzusetzen. Mit viel Sinn für Humor fängt der Film etwa die Unsicherheiten bei Abbys Verabredungen ein: die Irritation auf Seiten der Kundinnen, wenn Abby sie vorher zum Gespräch ins Café bestellt, das körperliche Befangensein, die gegenseitigen Projektionen, die sich nicht selten als völlig falsch herausstellen. Formal sieht „Concussion“ ziemlich glatt heruntergefilmt aus, was man als ein endgültiges Ableben der auch stilistischen Innovationen des Queer Cinema deuten kann. Doch es ist gerade der Blick auf den sozialen Habitus und seine sauberen Oberflächen, der den Film zu einer scharfsinnigen Abhandlung auf das krisenbesetzte Vorstadtmilieu macht.
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