Drama | USA 2023 | 128 Minuten

Regie: Zach Braff

Eine junge Frau hat einen Autounfall, bei dem die Schwester ihres Verlobten und deren Mann zu Tode kommen. Die Katastrophe ruiniert nicht nur ihre Beziehung, sondern treibt die Frau in eine Abwärtsspirale aus Sucht und Reue. Durch Zufall trifft sie auf den Vater der verunglückten Frau und deren Teenager-Tochter, wodurch zwischen den Trauernden eine zögerliche Beziehung entsteht. Das Drama überzeugt über weite Strecken, da es sich einfühlsam auf den langwierigen Trauerprozess einlässt, der erst durch die Begegnung mit anderen eine Heilungsperspektive gewinnt. Erst zum Schluss sucht der Film allzu wohlgefällig eine runde Auflösung. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
A GOOD PERSON
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2023
Produktionsfirma
Killer Films/MGM/Elevation
Regie
Zach Braff
Buch
Zach Braff
Kamera
Mauro Fiore
Musik
Bryce Dessner
Schnitt
Dan Schalk
Darsteller
Florence Pugh (Allison) · Morgan Freeman (Daniel) · Celeste O'Connor (Ryan) · Molly Shannon (Diane) · Chinaza Uche (Nathan)
Länge
128 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama
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Drama über eine junge Frau, einen alten Mann und einen tragischen Autounfall, der ihnen beiden zu schaffen macht.

Diskussion

In Zach Braffs neuem Film „A Good Person” lernen die handelnden Figuren auf höchst schmerzliche, aber auch bereichernde Weise, dass es beim Prozess der Trauer niemals eine Abkürzung geben kann. So sehr man es sich auch wünschen mag. Und an den Wünschen und Träumen der Protagonist:innen ist Braff während der gut zwei Stunden seines Dramas ganz nah dran. Anfangs scheint alles prima zu laufen bei Allison (Florence Pugh) und Nathan (Chinaza Uche). Das Paar ist soeben in ein gemeinsames Heim gezogen. Ein Autounfall, bei dem Allison am Steuer sitzt, bringt jedoch das Lebensfundament aller Beteiligten zum Einsturz. Allison überlebt den Crash zwar mit einer Schädelverletzung. Ihre Mitfahrer, Nathans Schwester und deren Mann, verlieren bei dem Unglück jedoch ihr Leben.

An dem Unfall trägt Allison offensichtlich keine Schuld, doch sie macht sich schwere Vorwürfe. Die opiathaltigen Schmerzmittel, die nach dem Debakel erst zur Heilung ihrer Verletzungen beitragen, werden nach Allisons physischer Genesung schließlich zum gefährlichen Trostpflaster für die Seele. Ihre Beziehung zu Nathan zerbricht.

Am Tiefpunkt ihres Lebens

Allison lebt im Haus ihrer Mutter Diane (Molly Shannon), und obwohl heller Tag ist, sitzt sie bei zugezogenen Vorhängen im Pyjama auf der Couch und schaut Instagram-Videos mit Instruktionen zum Haareschneiden in Eigenregie. Ihr zerstörtes Dasein ist aber nur eine Seite der Geschichte. Die andere wird verkörpert vom Mädchen Ryan (Celeste O’Connor). Sie ist Nathans Nichte und seit dem Tod ihrer Eltern Waise; nun lebt sie bei ihrem Großvater Daniel, einem Ex-Cop (Morgan Freeman), der viele Jahrzehnte alkoholabhängig war und erst seit einigen Jahren trocken ist. Den Verlust seiner Tochter kann er kaum verkraften. Um zu verhindern, dass er erneut der Sucht verfällt, beschließt er, seine alte Selbsthilfegruppe aufzusuchen, wo er ausgerechnet Allison begegnet. Seine Enkelin und Allison kommen sich über ihn näher, als dem alten Mann mit dem schweren Herzen lieb ist.

Allison wiederum ist auf einigen ziemlich unwürdigen Umwegen zu den Anonymen Alkoholikern und zu einer resoluten Sponsorin (Zoe Lister-Jones) gelangt, die sie unter ihre Fittiche nimmt. Viel weiter abwärts, als sie zu diesem Zeitpunkt ist, geht es nicht mehr. Die Sponsorin spricht Tacheles: „Du kannst nicht high zu Meetings kommen. Wir haben keine Zeit für Bullshit. 90 Tage, 90 Treffen. Und du wirst dich endlich der Gruppe mitteilen.“ Für Allison beginnt damit der lange und schwierige Weg zur Bewältigung ihrer Trauer.

Ein neuer, sehr ernsthafter Ton bei Zach Braff

Zach Braff, der bei „A Good Person” Regie führt, war Mitte der 2000er-Jahre als Schauspieler ein wahrer Goldjunge. In der Rolle des jungen Arztes J.D. fuhr er in der Krankenhaus-Comedy „Scrubs“ rasant Erfolge ein, erhielt „Golden Globe“- und „Emmy“-Nominierungen. Die Show lief bis 2010, neun ganze Staffeln lang. 2004 inszenierte er außerdem die wunderbar schrullige Indie-Romcom „Garden State“, in der er den Zeitgeist der 2000er wie kaum ein Zweiter einzufangen vermochte. Bereits hier setzte Braff sich mit den Themen Verlust und Trauer auseinander. Er spielte damals auch die Hauptrolle des strauchelnden jungen Schauspielers, der nach dem Tod seiner Mutter in seine alte Heimat New Jersey zurückkehrt, wo er einer von Natalie Portman gespielten jungen Frau begegnet, von der er sofort fasziniert ist. Es waren wohl aus heutiger Perspektive ein paar melancholische Junge-Männer-Fantasien zu viel, die Braff damals auf Portmans Rolle projizierte. In „A Good Person“ schafft Braff gemeinsam mit der bravourös aufspielenden Florence Pugh nun eine ungleich komplexere Frauenfigur samt glaubwürdigem Eigenleben und findet dabei filmisch zu einem neuen, sehr ernsthaften Ton.

Als Allison den von Morgan Freeman verkörperten Daniel trifft, begegnen sich in Braffs Drama zwei Pole, die eigentlich dafür gemacht waren, sich für immer aus dem Weg zu gehen. Zu tief sitzt bei Daniel der Schmerz über den Tod seiner Tochter, für den er Allison insgeheim verantwortlich macht. Doch die gemeinsame Trauer führt zu einer wahrhaftigen Begegnung der beiden, deren Dynamik zum zentralen Antrieb von Braffs emotional sehr erwachsenem Film wird.

In einer Szene, in der Allison auf dem Tiefpunkt ist, will sie nicht, dass Daniel sie in den Arm nimmt, weil sie weiß, dass sie dann in Tränen ausbrechen würde. Allison will nicht, dass die junge Ryan sie so sieht. „Okay“, sagt er zu ihr, „dann umarme ich dich nur mit meinen Augen.“ Von Morgan Freemans Augen und der Lebensweisheit, die aus ihnen spricht, lässt man sich auch als Zuschauer nur allzu gerne umarmen. Man wünscht sich nur, der Regisseur würde die Lektionen der Trauerverarbeitung, die er im Film aufbietet, auch konsequent auf seine eigene Geschichte anwenden. Am Ende sucht Braff nämlich die schnelle Auflösung seiner Story, anstatt der Trauer seiner Figuren weiter Zeit und Raum zu lassen, und verliert sich dabei in allzu zäher Metaphorik. Dabei weiß Braff es über die meiste Zeit seines Films eigentlich besser: Mit der Trauer wirst du irgendwann fertig – aber erst dann, wenn die Trauer beschließt, es auch mit dir zu sein.

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