Dieser Mann ist so nett, dass er die Menschen in seiner Nähe in Verlegenheit bringt. Mehr als das: Er ist freundlich, warmherzig, aufgeschlossen, interessiert und kinderlieb. Nie ein böses Wort, nie schlechte Laune. Kurzum: Dieser Mann ist zu gut, um wahr zu sein. Und doch hat es ihn wirklich gegeben: Fred Rogers hat zwischen 1969 und 2001 die Kindersendung „Mister Rogers’ Neighborhood“ im US-amerikanischen Fernsehen moderiert, viele erwachsene Amerikaner sind mit ihm aufgewachsen und erinnern sich wohlwollend, wie er in roter Strickjacke und blauweißen Turnschuhen seine Gäste umarmte und für jeden ein freundliches Wort hatte.
Sogar einen Dokumentarfilm gibt es über ihn, „Won’t You be my Neighbor?“, von Morgan Neville 2018 gedreht. Man könnte, insbesondere in Hinsicht auf den deutschen Filmtitel "Der wunderbare Mr. Rogers" (das Original heißt „A Beautiful Day in the Neighborhood“), meinen, dass es sich hier um einen biografischen Film über Fred Rogers handelt. Dem ist aber nicht so. Er ist noch nicht einmal die Hauptfigur. Denn Mr. Rogers (Tom Hanks) wendet sich den Zuschauern zu, direkt in die Kamera, um von einem anderen Mann zu erzählen.
Harter Schale, verletztlicher Kern
Lloyd Vogel (Matthew Rhys) ist Reporter – einer von diesen zynischen Kerlen, die schon alles hinter sich haben und dementsprechend abgestumpft sind. Als er den Auftrag erhält, für das Magazin „Esquire“ ein wohlwollendes Porträt über Fred Rogers zu schreiben, verdreht er zunächst unwillig die Augen. Ihm schwebt eher eine Enthüllungsgeschichte vor, die das Image des ehrwürdigen Mannes ankratzt. Welche Leichen er wohl im Keller hat? Doch Lloyds Frau Andrea warnt ihn: „Ruiniere nicht meine Kindheit!“
Dann lernt der abgebrühte Journalist Fred Rogers kennen. Mit einem Mal ist seine Skepsis verflogen. Mr. Rogers ist nämlich nicht nur höflich und zuvorkommend. Er knackt mit interessierten Fragen sogar den Schutzpanzer des Journalisten. So erfährt man, dass Jerry Vogel, der Vater des Journalisten, die Familie verlassen hat, als die Mutter im Sterben lag. Eine Wunde, die nie verheilte. Die aber jetzt vielleicht heilen kann, wo es Mr. Rogers mit seiner zugewandten Art gelingt, alte emotionale Verkrustungen zu lösen.
Tom Hanks verkörperter Fred Rogers
Im wahren Leben heißt Lloyd Vogel Tom Junod; auf seinem 1998 im „Esquire“ erschienenen Artikel „Can You Say… Hero?“ beruht dieser Film von Marielle Heller, die in „Can You Ever Forgive Me?“ auch schon dem Geheimnis einer realen Person, der US-Schriftstellerin Lee Israel, nachspürte. Rogers und Junod wurden gute Freunde. Von dem Journalisten stammt auch die Erkenntnis, dass sich Mr. Rogers im Fernsehen nie verstellte, auch wenn er mit dem Überstreifen der roten Jacke und dem Wechseln der Schuhe in eine Rolle zu schlüpfen schien. Sein Charakter mag damit schlicht und unkompliziert erscheinen; seine Wirkung auf andere zeigt freilich die stille Größe solcher Freundlichkeit; mit ihr hat Fred Rogers das Leben von zahlreichen Kindern berührt.
Und auch von Erwachsenen. Matthew Rhys spielt Lloyd Vogel als einen zutiefst verletzten Mann, der seine Gefühle unterdrückt, um sich zu schützen. Doch bei Mr. Rogers funktioniert das nicht. Er nimmt fast die Funktion eines Therapeuten an, der seinem Gegenüber die tiefsten Geheimnisse entlockt und ihn so zur Vergebung anleitet.
Tom Hanks sieht zwar nicht aus wie Mr. Rogers, doch er hat sich dessen Manierismen überzeugend angeeignet: das leise, langsame, bestimmte Sprechen, die vielen Umarmungen, das Ergreifen von Händen. Rogers' Menschlichkeit und Verletzlichkeit sind stets spürbar, und das in einem Medium wie dem Fernsehen, wo sich jeder nur von seiner besten Seite zeigen will.
Sanfte Heldentum eines freundlichen Menschen
Der Film verbreitet von Beginn an eine sehr nostalgische, wehmütige Atmosphäre. In hell ausgeleuchteten, farbenfrohen Bildern fängt die Kamera das Fernsehstudio ein, in dem Rogers seine Show aufnimmt. Im Gegensatz dazu sind Räume dunkel, in denen sich Lloyd aufhält, um alte Episoden zu schauen oder über seinen Vater nachzudenken. Erst, wenn er mit Mr. Rogers zusammensitzt, fällt Licht auf ihn, und das sagt viel über das Verhältnis der beiden Männer.
Manchmal überrascht die Inszenierung auch mit einer ungewöhnlichen Idee, etwa wenn Lloyd die Strecke zwischen Pittsburgh (wo er wohnt) und Manhattan in einem Modelleisenbahn-Set zurücklegt, um noch einmal das kindliche Umfeld zu unterstreichen.
„Der wunderbare Mr. Rogers“ ist ein Film über einen Mann, der zu jedem Menschen eine Beziehung aufbauen kann, und über die stille, aber nachhaltige und heilsame Macht, die solch eine Zugewandtheit aufs Gegenüber ausübt. „Sehen Sie uns an“, sagt er bei der ersten Begegnung mit Lloyd Vogel. „Ich bin Ihnen gerade erst begegnet, aber ich investiere in wer Sie sind und wer Sie sein werden. Ich kann es einfach nicht ändern.“