Es gibt nicht viel an den Sounds, einer Landschaft in North Carolina, außer Hitze, Sumpf, Schilf und den paar Krabben, um die sich die wenigen Fischer streiten. Zak (Zack Gottsagen) bekommt allerdings noch nicht einmal von diesem kargen Umfeld viel mit. Seit zweieinhalb Jahren teilt er sich mit dem leicht dementen Carl (Bruce Dern) ein Zimmer im Britthayven Altenheim. Zak ist zwar erst 22 Jahre alt, doch nachdem ihn seine Eltern verlassen haben, wusste niemand wohin mit ihm. Zak hat das Down-Syndrom, aber das ist eine andere Geschichte. Der junge Mann will raus, und das nicht nur wegen der Sprüche von Salt Water Redneck (Thomas Haden Church), dessen VHS-Video er immer und immer ansieht. Redneck ist eine Berühmtheit in Ayden, North Carolina; in seiner Wrestling-Schule will Zak das werden, was er seit Kindertagen sein will: ein weltbekannter Show-Catcher.
Tyler (Shia LaBeouf) hingegen bekommt das Leben nicht mehr auf die Reihe, seitdem er die Sache mit seinem Bruder Mark verbockt hat. Als Krabbendieb hat der Mann in den Dreißigern gerade seinen Job am Hafen verloren. Bevor ihn die Fischer Duncan (John Hawkes) and Ratboy (Yelawolf) endgültig zum Krüppel schlagen, flüchtet er lieber in Richtung seines Traums, der irgendwo im Sunshine-Staat Florida wahr werden soll.
Per Boot in den Süden
Die Regisseure Tyler Nilson und Michael Schwartz erzählen in ihrem Regiedebüt von einem Märchen. Nämlich davon, dass Zak und Tyler bei ihrer Flucht auf einem kleinen Boot zusammentreffen und gemeinsam den Weg in den Süden antreten. Dass beide von ihrem Wesen und ihrem Temperament nicht unterschiedlicher sein können, zählt zu den Grundelementen eines Road beziehungsweise „Boat“ Movies. Was die beiden jedoch eint, ist der Umstand, dass sie Gefallene sind, Außenseiter, die von der Gesellschaft ausgestoßen wurden, weshalb sie sich zunächst auch nicht sonderlich mögen. Doch das wird sich ändern, was ebenfalls zum Erzählinstrumentarium dieses (bei Regisseuren) so beliebten Zwitters aus Drama und Abenteuer gehört.
Zak sagt das vermeintlich Wenige, das er denkt, frank und frei heraus, und Tyler entdeckt darüber sein gutes Herz, das er unter all dem Frust und der Trauer die ganze Zeit über vergraben hatte.
Zu jedem Märchen gehört eine „gute Fee“. Hier heißt sie Eleanor (Dakota Johnson) und arbeitet im Britthayven Altersheim. Die Mittdreißigerin hat einen besonderen Draht zu Zak und bekommt daher vom muffigen Heimleiter den Auftrag, den „Behinderten“ wieder aufzuspüren. Sie tut das nur widerwillig, aber voller Hoffnung, alles irgendwie geradebiegen zu können. Gute Geister machen das so; in Dramen, die sich nicht zu Tragödien auswachsen.
Und so finden sich die drei nach einer Weile und erkennen, dass sie mindestens eines gemeinsam haben: den Willen, dem System ein Schnippchen zu schlagen.
Auf den Leib geschrieben
Die beiden Regisseure haben ihrem Protagonisten die Geschichte auf den Leib geschrieben. Zack Gottsagen ist ein Naturtalent, das Zak, der so gerne unbesiegbar wäre, intensiv-gut und doch ganz beiläufig verkörpert. Unterstützt wird er ebenso unprätentiös von „echten“ Schauspielern in Haupt- und Nebenrollen, etwa dem kaum beschäftigten Thomas Haden Church als abgewrackter Wrestling-Legende, Bruce Dern als verschmitztem Greis oder Jon Bernthal als Tylers Bruder. So entwickelt sich „The Peanut Butter Falcon“ im Laufe der Handlung über das anvisierte Genre hinaus zu einem überzeugenden Ensemblestück, das in der Summe viel mehr ist als ein „Behindertenfilm“, nämlich das eindrucksvolle Porträt einer abgehängten Gesellschaft.
Das klingt vielleicht deprimierender als „The Peanut Butter Falcon“ wirklich ist, denn es handelt sich ja um ein Märchen, und das hat, neben all seinen surrealen Attitüden, auch die Aufgabe, zu unterhalten und glücklich zu machen. Neben der „Moral“, die vom lohnenden Aufbegehren kündet, gibt es deshalb auch viele wunderbare skurrile Episoden, in denen Unmögliches zu gelingen scheint.