Bollywood-Film | Indien 2017 | 116 Minuten

Regie: Siddharth Malhotra

Eine junge Inderin, die am Tourette-Syndrom leidet, findet trotz ihrer Behinderung eine Anstellung als Lehrerin einer aufsässigen High-School-Klasse, deren aus den Slums stammende Schüler niemand unterrichten will. Die neue Lehrerin gewinnt den Respekt ihrer Schützlinge mit anschaulichem Unterricht, sieht sich aber einer Intrige ausgesetzt. Indisches Drama, das die Bedeutung von Bildung für Lebensperspektiven unterstreicht und zugleich das indische Klassensystem hinterfragt. Trotz märchenhafter Züge überzeugt der Film durch das sensible Frauenporträt und die Gelassenheit, mit der er ihre Integration als selbstverständlichen Vorgang darstellt. - Ab 14.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
HICHKI
Produktionsland
Indien
Produktionsjahr
2017
Produktionsfirma
Yash Raj Films
Regie
Siddharth Malhotra
Buch
Anckur Chaudhry · Siddharth Malhotra · Ambar Hadap · Ganesh Pandit
Kamera
Avinash Arun
Musik
Jasleen Royal · Hitesh Sonik
Schnitt
Shweta Venkat
Darsteller
Rani Mukerji (Naina Mathur) · Harsh Mayar (Aatish) · Supriya Pilgaonkar (Sudha Mathur) · Sachin Pilgaonkar (Prabhakar Mathur) · Shivkumar Subramaniam (Rektor von St. Notker's)
Länge
116 Minuten
Kinostart
22.03.2018
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Bollywood-Film | Drama
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Indisches Drama um eine junge Frau, die trotz einer Erkrankung mit dem Tourette-Syndrom als Lehrerin reüssieren kann.

Diskussion

Die deutsche Bedeutung von „Hichki“ meint eigentlich „Schluckauf“. Doch die Krankheit, an der die Hauptfigur leidet, ist mit „Tourette-Syndrom“ sehr viel genauer umschrieben. Naina Mathur ist gezwungen, in den unpassendsten Momenten Geräusche von sich zu geben. Dabei stößt sie nicht etwa vulgäre Flüche aus, sondern ein hartes „Tscha, tscha“, das ihre Umwelt gleichwohl irritiert. Rückblenden in ihre Kindheit zeigen, wie sehr sie unter dem Tourette-Syndrom und der damit verbundenen Außenseiterrolle litt. Trotzdem hat sie es geschafft, ihre Ausbildung als Lehrerin zu beenden. Doch ihre zahlreichen Vorstellungsgespräche enden stets mit einer Absage. Eine Lehrerin mit Tourette – wie soll das funktionieren?

An der Notkers High School erhält sie dennoch eine Festanstellung. Dort will niemand die aufsässigen Schüler einer 9. Klasse unterrichten, die aus den Slums der anderen Flussseite stammen. Doch Naina gewinnt ihren Respekt mit anschaulichem Unterricht, der sogar das Gute in einem Streich erkennt. Denn wer einen Papierkorb zum Explodieren bringt, muss die nötigen chemischen Kenntnisse verinnerlicht haben.

Naina macht ihre Schüler auf ihre Gaben und Stärken aufmerksam; es geht in dem Film aber auch um das Erkennen von Ängsten und um Vertrauen. Als zum Elternsprechtag niemand erscheint, macht sich Naina in die Slums auf, um die Lebensumstände ihrer Schüler kennen zu lernen. Die bringen immer bessere Noten nach Hause. Das ruft die Neider einer anderen Klasse und deren missgünstigen, klassenbewussten Lehrer auf den Plan. Sie spinnen eine hinterlistige Intrige, um Nainas Schützlinge von der Schule zu vertreiben.

„Es gibt keine schlechten Schüler – es gibt nur schlechte Lehrer“, heißt es einmal. Nach dem Vorbild von „Die Kinder des Monsieur Mathieu“ (fd 36 671) oder „Die Grundschullehrerin“ (fd 45 260) geht es in dem indischen Drama um die Bedeutung von Bildung und damit verbunden um das Eröffnen von Lebensperspektiven für jeden Einzelnen. Lernen soll vor allem Spaß machen! Das vermittelt Regisseur Siddharth Malhotra sehr anschaulich in einer kurzen Szenenfolge, die allerdings immer auch etwa Idealtypisches hat: So einfach dürfte der Unterricht mit einer gehandicapten Lehrerin dann doch nicht sein.

Beiläufig thematisiert der Film das immer noch ausgeprägte Klassenbewusstsein in Indien. Die sozial benachteiligten Schüler müssen sich gegen Vorurteile und Neid wehren und um Akzeptanz und Anerkennung ringen. Die dramaturgischen Zuspitzungen, die den Weg zum Erfolg aufhalten, wirken manchmal zu gewollt und aufgesetzt; mit ihren Konfrontationen und Lösungen auch zu schlicht. Und doch gelingt es der Inszenierung, das märchenhafte Happy End schlüssig vorzubereiten.

Interessant daran ist, dass Nainas Tourette-Syndrom schon bald keine Rolle mehr spielt. Anfangs hatte es die Schüler belustigt und die Kollegen irritiert, doch irgendwann nimmt man es fast nicht mehr war. Denn Tourette ist ein Makel wie jeder andere auch. „Ich brauche keine Heilung. Es ist ein Teil von mir“, sagt die von Rani Mukerji ebenso charismatisch wie selbstbewusst dargestellte Lehrerin zu ihrem Vater.

Diese gelassene, geradezu weise Lebenshaltung schlägt eine Brücke zur Musik. Nainas knackig-kurzes „Tscha, tscha“ animiert ihre unbekümmerten Schüler zu einem frechen Rap. HipHop, Pop und indische Rhythmen bilden einen eklektischen, mitreißenden  Soundtrack, der aus „Hichki“ allerdings noch keinen Bollywood-Film macht. Die Inszenierung hatte ohnehin anderes im Sinn: das Porträt einer jungen Frau, die sich mit ihrem Handicap abfindet und so zur leidenschaftlichen, optimistischen Lehrerin wird: „Jeder freundet sich mit seinem Tourette an“, lautet Nainas Motto, das man auch über diesen Film stellen könnte.

Kommentar verfassen

Kommentieren