Es gibt Filme, die schwer an der Last der Historie tragen und an ihrem Anliegen, diese ins Jetzt zu übersetzen. Häufig quellen aus ihnen Botschaften und politische Statements, als sei die Leinwand nicht richtig vernäht. Daneben gibt es aber auch die Filme von Steven Spielberg. Mit großer Leichtigkeit tanzen sie für gewöhnlich auf den offensichtlich starken, breiten Schultern eines außergewöhnlichen Filmemachers, der das Spektakelkino mit zur Welt brachte, diesem inzwischen aber eher skeptisch gegenüberzustehen scheint, jetzt, da jeder Spektakel machen kann.
Sein jüngster Film ist, einem weiteren Klischee über Spielberg zum Trotz, eigentlich eine nüchterne Angelegenheit. Sein Pathos, sein Schreien nach Bedeutsamkeit, hallt einsam durch die Welt jenseits des Kinosaales, hinaus vor allem zu einem Präsidenten und seinen Claqueuren, die dem, was sie für „Fake News“ halten, gerne „Alternative Facts“ gegenüberstellen. Innerhalb der Erzählung dominiert der empathische, aber dennoch kitschfreie Blick auf die historischen Fakten und auf Menschen, die hin und her und wieder hin diskutieren, wie an diese Fakten zu kommen sei und was man mit ihnen anfangen soll, wenn man sie denn endlich hat. Im Sommer 1971 besitzt die „New York Times“ diese Fakten zuerst: tausende Seiten der so genannten „Pentagon Papers“, eines Dossiers aus dem US-Verteidigungsministeriums, das nachweist, dass der Krieg in Vietnam schon längst vorbereitet wurde, als die Regierungen noch das Gegenteil behaupteten. Es kommt noch dicker: Dieser Krieg sei nicht zu gewinnen, ist dort zu lesen. Dennoch wird er weitergeführt.
Während die „Times“ auf richterliche Anordnung die Publikation stoppt, fällt das Dokument der „Washington Post“ in die Hände. An deren Chefredakteur Ben Bradlee und der Verlegerin Kay Graham liegt es nun, zwischen Richterspruch, Gewissen und der verfassungsrechtlich garantierten Pressefreiheit zu vermitteln. Tom Hanks spielt diesen Bradlee konfrontativ, den Kopf oft kampfeslustig nach vorne gelegt, die Hände seitlich am Hosenbund nestelnd, beinahe so, als bedauere er, dort keinen Colt mehr zu finden. Seine Darstellung ist weit körperlicher und auch rauer als die des abwägenden, beinahe entspannt autoritären Jason Robards, der in gleicher Position in „Die Unbestechlichen“ (fd 19 971) einen „Oscar“ für die beste Nebenrolle gewann, jenem anderen Film über die „Washington Post“, der sich den Watergate-Enthüllungen widmete und dem Spielberg am Ende sozusagen den Staffelstab zurück in die Vergangenheit reicht. Gleichwohl darf man vermuten, dass auf dem Chefposten in Wahrheit noch weit härtere Hunde zugange waren als Hanks’ Bradlee. Und ebenso, dass dieses Bild von Männlichkeit heute fast genauso aus der Zeit gefallen scheint wie das eines Journalismus, für den die abendliche Druck-Deadline über Wohl und Wehe entscheidet.
Anderes ist von bisweilen verblüffender, dann wieder krampfhafter Aktualität: der Kampf der Zeitungen um Geld etwa, der der Verlegerin in einem Meeting zum geplanten Börsengang gleich ihre erste Niederlage beschert: Anstatt auf kritische Fragen zu antworten, verstummt sie. Dann gibt es auch eine Nähe zur Macht, die manchem zu groß erscheint: Mit dem Ex-Verteidigungsminister Robert McNamara, dem Auftraggeber des geheimen Dossiers und sicherlich dem ersten Opfer von dessen Veröffentlichung, verbindet die Verlegerin eine enge Freundschaft. Ist sie stark genug, die anstehenden Schlachten zu schlagen?
Meryl Streep verleiht Kay Graham eine Sanftheit, die alle Unsicherheit, alles Entsetzen und nervöse Zucken mit Würde auflädt. Streeps Blick erfriert und flackert, sie nuschelt und stammelt noch, als sie die Entscheidung fällt, das Dossier zu veröffentlichen. Sie bildet das emotionale Zentrum eines Films, in dem sich sonst beinahe alle zurücknehmen, von Regisseur Steven Spielberg über den Bombastmusik-Routinier John Williams und die Drehbuchautoren Liz Hannah und Josh Singer, die allesamt nicht mit ihrer Virtuosität glänzen. Der Preis für diese Nüchternheit ist eine Geschichte, die bisweilen wie auf Autopilot abgespult wird. Die Filmemacher predigen hier wieder einmal zu den Bekehrten; eine implizite Einigkeit, die Gefühl und Originalität zu lähmen scheint.