Biografischer Film über den indischen Buchhalter Srinavasa Ramanujan (1887-1920), der 1913 nach Cambridge eingeladen wird, um am Trinity College seine analytische Zahlentheorie auszuarbeiten. Während die akademische Welt dem intuitiven Mathematik-Genie mit Neid, Missgunst und Ablehnung begegnet, erweist sich nur ein Professor als Freund, auch wenn beide kulturell wie philosophisch ein bleibender Graben trennt. Das durch Kostüme und Ausstattung historisch adäquat verortete Drama hinterfragt pointiert die viktorianische Gesellschaft, krankt allerdings an stereotypen Nebenfiguren und klischeehaften Zuspitzungen, was das dramaturgische Potenzial sichtlich einschränkt.
- Ab 14.
Die Poesie des Unendlichen
Biopic | USA/Großbritannien/Indien 2015 | 114 Minuten
Regie: Matthew Brown
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Filmdaten
- Originaltitel
- THE MAN WHO KNEW INFINITY
- Produktionsland
- USA/Großbritannien/Indien
- Produktionsjahr
- 2015
- Produktionsfirma
- Edward R. Pressman Film/Xeitgeist Ent./Animus Films
- Regie
- Matthew Brown
- Buch
- Matthew Brown
- Kamera
- Larry Smith
- Musik
- Coby Brown
- Schnitt
- JC Bond
- Darsteller
- Dev Patel (Srinivasa Ramanujan) · Jeremy Irons (G.H. Hardy) · Toby Jones (John Littlewood) · Devika Bhise (Janaki) · Arundhati Nag (Komalatammal)
- Länge
- 114 Minuten
- Kinostart
- 12.05.2016
- Fsk
- ab 6; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Biopic
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Biopic über ein indisches Mathe-Genie
Diskussion
Madras 1913. Srinavasa Ramanujan ist ein ganz normaler Buchhalter in einem Büro am Hafen. Doch seine Leidenschaft gilt der Mathematik. Der Zugang zu einer akademischen Karriere war ihm bislang allerdings verstellt. Deshalb hat er sich alles selbst beigebracht, ohne anerkannte wissenschaftliche Ausbildung. Ein Autodidakt, der bedeutende Ergebnisse zur analytischen Zahlentheorie liefert und wesentlich zur Entwicklung von unendlichen Reihen und Kettenbrüchen beiträgt. Sein Vorteil: Er findet undogmatisch neue Ansätze und betrachtet bekannte Theorien aus einer anderen Perspektive.
Diese Brillanz und Originalität des Nachdenkens über Zahlen erkennt auch G.H. Hardy, ein britischer Mathematikprofessor am Trinity College in Cambridge, dem Ramanujan in seiner Naivität einfach einen Brief geschrieben hatte. Hardy ist entschlossen, den jungen Mann mit seinen unkonventionellen Ideen nach Cambridge zu holen, auch wenn seine Kollegen die Nase rümpfen.
So verlässt Ramanujan Frau und Familie, um gemeinsam mit Hardy in Cambridge die Welt der Mathematik umzukrempeln. Doch im kalten, abweisenden England bleibt das Mathe-Genie ein Außenseiter, privat und beruflich. Besonders Hardys arrogante Kollegen legen Ramanujan mit ihrem Standes- und Bildungsdünkel immer wieder Steine in den Weg. Von Anerkennung keine Spur. Zu allem Überfluss erkrankt der 25-Jährige schwer. Ramanujan bleibt nicht mehr viel Zeit, um die Ergebnisse seiner Arbeit zu veröffentlichen.
Man braucht in „Die Poesie des Unendlichen“ allerdings keine Angst vor hoher Mathematik zu haben. Regisseur Matthew Brown widmet sich auf der Grundlage einer Biografie von Robert Kanigel zwar auch den bahnbrechenden Theorien, die Srinavasa Ramanujan (1887-1920) in Cambridge austüftelte. Doch im Mittelpunkt des Interesses steht etwas anderes: die Freundschaft zwischen zwei Gelehrten, die aus zwei Kulturen kommen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Der eine ein rationaler Atheist, der andere ein tiefgläubiger Hindu; dazu kommt die Kluft zwischen England und Indien, also zwischen Kolonialmacht und Kolonie. Ramanujan wird allein deswegen keine Anerkennung zuteil, weil er als Inder rassistisch ausgegrenzt wird. Sein Genie wird von den Cambridge-Professoren, ob aus Neid oder Ignoranz, nicht gewürdigt.
Als Knackpunkt der mathematischen Diskussionen entpuppt sich Hardys Forderung, dass Ramanujan, der an göttliche Eingebung glaubt, seine Theorien, Verbindungen und Muster nicht nur annehmen, sondern auch beweisen, also Belege für seine Thesen finden müsse. Dadurch öffnet sich ein faszinierendes Spannungsfeld, das weit über die Mathematik hinausreicht und wissenschaftliches Arbeiten einfordert.
Gleichzeitig hinterfragt der vom Kostüm- und Set-Design zeitlich adäquat verortete Film die britische Gesellschaft, sowohl in ihrem Standesdünkel als auch in ihrer Funktion als Kolonialmacht, in der Rassismus und Fremdenfeindlichkeit an der Tagesordnung sind. Allerdings geht das nicht immer ohne Stereotypen und Klischees. So sind Hardys Kollegen besonders hinterhältig, ignorant und missgünstig; eine Intrige von Ramanujans Schwiegermutter wächst sich, befeuert durch Eifersucht und Überfürsorglichkeit, fast zur griechischen Tragödie aus. Die Freundschaft zwischen Hardy und Ramanujan hingegen kocht viel zu lange auf Sparflamme, als dass sie als solche sofort kenntlich wäre. Jeremy Irons vermeidet in seiner Darstellung des steifen Engländers Blick- und Körperkontakt. Am Meister-Schüler-Verhältnis rüttelt er lange nicht, bis es, in einer nicht sehr überzeugenden dramatischen Überspitzung, fast zu spät ist.
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