Wochenenden in der Normandie

Tragikomödie | Frankreich 2015 | 90 Minuten

Regie: Anne Villacèque

Die langjährige Freundschaft zweier Ehepaare, deren Wochenendhäuser in der Normandie aneinander grenzen, erhält einen Riss, als sich eines der beiden trennt. Dies bedeutet auch für das andere Paar eine Belastung, weil die getrennten Eheleute weiterhin das Ferienhaus nutzen und sich die Frage des angemessenen Umgangs stellt. Die sich über mehrere Jahre erstreckende Tragikomödie thematisiert die Entfremdung und emotionale Verarmung der Menschen. Zwar wirkt der Film durch seine elliptische Erzählweise und die eher grobkörnige Charakterzeichnung etwas sperrig, doch überzeugt er dank guter Darsteller und vieler gelungener Einzelszenen. (O.m.d.U.) - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
WEEK-ENDS
Produktionsland
Frankreich
Produktionsjahr
2015
Produktionsfirma
Ex Nihilo
Regie
Anne Villacèque
Buch
Sophie Fillières · Anne Villacèque
Kamera
Pierre Milon
Musik
Tim Gane · Sean O'Hagen
Schnitt
Nelly Quettier
Darsteller
Karin Viard (Christine) · Noémie Lvovsky (Sylvette) · Jacques Gamblin (Jean) · Ulrich Tukur (Ulrich) · Aurélia Petit (Pascale)
Länge
90 Minuten
Kinostart
08.10.2015
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Tragikomödie
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Etwas spröde Tragikomödie über befreundete Wochenend-Normandie-Urlauber

Diskussion
Zwei raue Steinhäuser, nur getrennt durch einen Feldweg, drumherum kleine Gärten mit Sträuchern, Hecken und knorrigen Bäumen; dazu einige Male die langen Felsküsten und das wenig zum Baden einladende Meer. Das ist fast das gesamte Spektrum, was es in diesem Film von der Normandie zu sehen gibt, doch für die vier Hauptfiguren ist es alles, was sie dort vorfinden wollen. Christine und Jean sind seit knapp 30 Jahren mit Sylvette und Ulrich befreundet und haben die gegenüberliegenden Häuser als Jungverheiratete zur gleichen Zeit gekauft. Ihre Wochenendtrips – mal mit, mal ohne ihre mittlerweile schon erwachsenen Kinder – haben etwas von einer Flucht aus dem Großstadtdschungel mit seiner Enge und der Masse an genervten, aggressiven Menschen. Gerade die Verlassenheit der Normandie ist für sie eine Hilfe, um Kraft und neuen Mut für die Rückkehr in den hektischen Alltag zu sammeln. Doch was zu Beginn von „Wochenenden in der Normandie“ noch als Erfüllung eines Wunschs im Kleingarten-Format erscheint, ist naturgemäß zu schön, um für immer wahr zu sein. Die Einöde macht den Figuren eben auch die Leerstellen in ihrem Leben bewusst, und so bricht die Doppelpaar-Konstellation auseinander: Eines Morgens eröffnet Christine ihren Freunden, dass Jean sie in der Nacht verlassen hat. Als Begründung habe er nur das dumpfe Gefühl genannt, es nicht mehr auszuhalten und einfach nur noch irgendwo anders hinzuwollen. Die Entfremdung in der modernen Welt und die emotionale Verarmung der Menschen sind die dominierenden Themen im Werk der französischen Regisseurin Anne Villacèque. In ihrem dritten Spielfilm stellt sie mittels der beiden Paare zwei Lebenswege einander gegenüber, die nach langem Parallellaufen auf einmal auseinanderdriften. Nachdem Christine und Jean sich getrennt haben und die Scheidung beantragt ist, zieht Sylvette ihrerseits eine Beziehungsbilanz – mit einem beruhigenden, aber auch etwas ernüchterten Ergebnis. „Sie begriff, dass sie ewig zusammenbleiben würden. Es würde kein ‚post Ulrich‘ geben“, fasst eine Erzählerstimme Sylvettes Erkenntnis pointiert in Worte. Ein unerwartetes Problem erwächst ihnen jedoch durch die Bindung an ihre Freunde: Da die sich nicht von ihrem Wochenendhaus trennen wollen, tauchen sie fortan zu unterschiedlichen Zeiten dort auf, was bei Sylvette und Ulrich einige Verlegenheit erzeugt. Müssten sie Jean für sein Verhalten nicht mit mehr Verachtung strafen? Und könnten sie im Ernstfall Christine gegenüber rechtfertigen, dass sie sich mit der neuen Freundin ihres Ex-Manns auf Anhieb so gut verstehen? Entfernt lässt sich bei Anne Villacèques durchaus auch humorvoller Inszenierung an die Filme von Eric Rohmer denken, auch wenn „Wochenenden in der Normandie“ im Tonfall weniger leicht daherkommt und Momente tiefster Verunsicherung immer wieder an den Ernst der Situation erinnern. Bis auf wenige Ausnahmen spielt die Handlung durchweg an Normandie-Wochenenden über mehrere Jahre hinweg und blendet die Ereignisse während der Wochentage dazwischen weitgehend aus, was zu einigen Handlungssprüngen und Erklärungslücken führt. Das lässt einen als Zuschauer neue Entwicklungen als größere Überraschung wahrnehmen, macht den Film allerdings auch etwas sperrig, zumal Villacèque Charaktere eher skizziert als sie mit prallen Farben auszumalen. Dass die Figuren dennoch Profil gewinnen, liegt an dem gut aufgelegten französisch-deutschen Hauptdarsteller-Quartett Karin Viard, Jacques Gamblin, Noémie Lvovsky und Ulrich Tukur, das in vielen Miniaturen aus zwei Ehen immer wieder gekonnt Akzente setzen kann und einige seichtere Momente sicher umschifft. Der Film hat auf diese Weise tatsächlich Ähnlichkeit mit einem gelungenen Wochenendausflug: Die Zeit mag nicht immer gleichermaßen optimal genutzt sein, insgesamt aber behält man ihn in angenehmer Erinnerung.
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