Es ist die erste Begegnung von Jay Gatsby und Daisy Buchanan nach fünf Jahren. Nick Carraway, Erzähler des Films und außerdem Daisys Cousin, hat das Treffen in seinem kleinen, etwas rumpeligen und zwischen herrschaftliche Villen absurd hinein gequetschten Bungalow arrangiert. Gatsby, der soziale Aufsteiger und Veranstalter opulent-ausschweifender Partys, der den ganzen Aufwand allein dazu betreibt, seine „hochgeheiratete“ Liebe zurück zu gewinnen, macht sich erst einmal daran, Nicks Landhaus aufzupimpen: Rasen mähen, Hecken stutzen, mit weißem Zuckerguss überzogene Torten hier, pastellfarbene Makronen dort und vor allem: Blumen, Blumen, Blumen. „Du glaubst, dass es zu viel ist“, sagt er nach der Budenzauberei leicht verunsichert zu seinem Freund, worauf dieser antwortet: „Ich glaube, es ist das, was Du willst“. Damit ist im Grunde auch Baz Luhrmanns filmisches Konzept treffend benannt. Seiner „Gatsby“-Verfilmung ein „Zuviel“ an Ausstattung, Aufwand und Effekten anzukreiden, selbst wenn man sich zuweilen davon zugekleistert fühlt, erscheint deshalb recht witzlos – es ist eben das, was Luhrmann will. Allerdings wird in genau dieser Szene auch sichtbar, was der Film hinzugewinnt, wenn er sich all den Putz auch mal vom Leib streift. Gatsby, im feinen weißen Anzug, hat sich für den großen Auftritt zurechtgemacht, bekommt dann aber kalte Füße und verschwindet – um wenig später vom Regen völlig durchweicht vor Daisy zu stehen, unsicher wie ein Teenager, entblößt, tropfnass, anrührend. Nach gut einem Drittel des Films ist es der erste Moment – und einer der wenigen überhaupt – in dem die Figuren wirklich mit Leben gefüllt scheinen und mehr sind als das glanzvolle Personal in einem visuell und akustisch überbordenden Themenpark-Spektakel, dem man trotz dreidimensionaler Sogwirkung eher distanziert beiwohnt. Gerade dort, wo es Luhrmann am offensichtlichsten darauf anlegt, den Zuschauer in das Geschehen hinein zu ziehen – in den exzessiven, hyperaktiven und mit R&B unterlegten Partyszenen (der US-Rapper Jay-Z hat den Soundtrack produziert) – wirkt „The Great Gatsby“ seltsam steril; das Neben- und Durcheinander von glitzernden Prada-Kleidchen, Federschmuck, Perlen, nackter Haut, Konfetti, Luftschlangen, im Swimming-Pool treibenden Plastikzebras und tanzenden Körpern ist schlichtweg zu perfekt und unterschiedslos aufeinander abgestimmt, um Spannung erzeugen zu können. Auch die 3D-Technik überzeugt im Grunde nur im ausstattungsarmen Raum: wenn etwa Gatsby von seinem Disney-artigen Schloss auf das nur durch das Meer getrennte aristokratische Anwesen der Buchanans blickt und die Unvereinbarkeit von „altem“ und „neuem“ Geld geradezu greifbar wird. Ausgesprochen schön anzusehen sind auch die buchstäblich den Film einrahmenden, im Art déco-Design gestalteten Titelsequenzen, wo sich räumliche Tiefe durch die Addition flacher, plakativer Bildschichten aufbaut.
Baz Luhrmann treibt in „The Great Gatsby“ seine künstlerische Handschrift – die Verbindung von Barock und Popkultur, Kirmes und Oper, Romantik und Vulgarität – konsequent bis an die Grenzen des Möglichen: viel mehr geht nicht. Die Goldenen Zwanziger, die sich bis heute – und offensichtlich gerade in Krisenzeiten – wie kaum eine andere Dekade als Projektionsfläche für das Begehren nach Luxus, Verschwendung und Entfesselung eignen, kommen seiner Ästhetik des stilistischen Überschusses dabei natürlich mit offenen Armen entgegen. Luhrmann mischt den Hedonismus des Jazz Age mit dem Bling Bling der Hip-Hop- und Celebrity-Kultur auf. Viel mehr als der Anschluss an Gegenwartsoberflächen kommt dabei aber auch nicht rum; Luhrmann eignet sich weder als Chronist noch als Zeitdiagnostiker. Zwar macht der australische Regisseur dem Originaltext seine Aufwartung, wenn Nick in F. Scott Fitzgeralds Worten aus dem Off spricht, Sätze aus dem Roman sich ins Bild hineinschreiben oder wie Schneeflocken über die Leinwand wehen. Mit Fitzgeralds desillusionierter Gesellschaftskritik kann er hingegen weniger anfangen, Luhrmanns Oberflächenfetischismus kennt keine echten Abgründe. Sein Gatsby, dem Leonardo DiCaprio etwas Zerrissenes verleiht – was diesem erlaubt, seinem Repertoire an Sorgen- und Zornesfalten, Mundwinkel- und Kiefermimik eine weitere Facette hinzuzufügen – , ist ein hoffnungsvoller Romantiker.