Er mäht den raspelkurzen Rasen noch etwas kürzer, möchte an der Fleischtheke ein extra feines Stück Fleisch und in der Gartenabteilung das Barbecue-Ungetüm für 600 statt 680 Dollar. Es ist der amerikanische Traum vom Eigenheim, den Frank Goode nach dem Tod seiner Ehefrau erwartungsvoll hegt und trimmt. Doch die Menschen, die diesen Traum beleben könnten, springen per Anrufbeantworter einer nach dem anderen ab: Die Ausreden seiner vier erwachsenen Kinder für das gemeinsame Wochenende steigern sich in ihrer Fadenscheinigkeit, und so trägt der herzkranke und flugängstliche Rentner seinen kleinen Trolley zur nächsten Bahnstation. Er will die missglückte Familienzusammenführung dann eben anders absolvieren, einzeln und mit Überraschungseffekt. Natürlich sind die Lebensumstände seiner gar nicht so überrumpelten, weil bestens vernetzten Sprösslinge nicht so glänzend, wie ihm das jeder einzelne von ihnen vorspiegeln will. Bedeutungsschwanger rattern Franks Züge an den Telefonleitungen entlang, die er einst mitfabrizierte, während er über Jahre die innerfamiliäre Kommunikation lahm legte. In „Everybody’s Fine“ geht es um elterliche Ansprüche und kindliche Tarnung, um die Enttäuschung über das Scheitern in Familie und Beruf, die man nicht in den Augen der Erzeuger ablesen möchte. Die Frage, ob es einem in den Entwürfen, die das Leben bereitstellt, auch gut geht, scheint längst nicht mehr zur Debatte zu stehen.
Dass dieser Mann, der durch die etwas prätentiös zentrierten Bilder einer Reiseästhetik à la Jim Jarmusch läuft, gar kein ehrgeiziger Hardliner ist, seine Kinder sogar zur Karriere als Künstler oder Tänzerin ermutigte, verleiht der Geschichte nur noch mehr Allgemeingültigkeit. Die Angst vor seiner Enttäuschung scheint dennoch zu stark, als dass ihm die Wahrheit zugemutet werden könnte: Seinen Jüngsten findet Frank erst gar nicht in seinem New Yorker Künstler-Appartement vor, Tochter Amys gläsernes Einfamilienhaus am Rande Chicagos ist nur von außen perfekt durchdesignt, innen hingegen brodelt es. Sohn Robert schwingt im Denver Orchester statt des Dirigentenstabs die puscheligen Trommel-Stöckchen, und Rosie lebt in Las Vegas weniger glamourös als vielmehr äußerst unkonventionell.
Man nähert sich räumlich an, nur um festzustellen, dass die Distanz, die über die Jahre gewachsen ist, nicht so einfach überbrückt werden kann. In diesem Road Movie auf Gleisen wird im Grunde das Glücksgefühl verhandelt, das sich abseits von Liebeskonvention und Berufsposition ansiedelt. „Allen geht es gut“, das ist die wohlgefällige, aber auch etwas langweilige Prämisse, der Kirk Jones’ ästhetisch glattes Remake von Giuseppe Tornatores 20 Jahre altem Vorgängerfilm „Allen geht’s gut“ (28 685) folgt. Nun schildert der britische Regisseur von „Lang lebe Ned Devine!“
(fd 33 598), wie schwer es Kindern auf der anderen Atlantikseite fällt, ihr Leben abseits der vermeintlichen Vorstellungen ihrer Eltern zu realisieren; wie langwierig die Abkapselung auf beiden Seiten ausfallen kann und wie man sich dann ganz schnell etwas vormacht. Emanzipation und Loslassen, das sind die Parameter, nach denen sich jede Eltern-Kind-Beziehung irgendwann messen lassen muss. Für beide Altersklassen ist das ein starkes Thema, visuell perfekt in Szene gesetzt und doch ein bisschen zu effektvoll zwischen charmant und kitschig, leisem Humor, Understatement und billiger Sentimentalität balancierend. Letztendlich kann die geradlinig vor sich hinfließende Geschichte nicht so ergreifen, wie es Robert De Niros Spiel in einer tieftraurigen Erkenntnisszene tut. Er ist der redselige Rentner, dem jeder mal im Zug begegnet ist, den die späte Reiselust gepackt hat und der im Verlauf seiner Etappen mit jeder Enttäuschung ein kleines bisschen schweigsamer wird. De Niro begibt sich damit auf die Pfade von Jack Nicholson in „About Schmidt“
(fd 35 843) – perfekt besetzt als demontiertes Familienoberhaupt mit hängenden Mundwinkeln und misstrauischen Augen, in denen sich so trefflich der frühe Tatendrang und die späte Enttäuschung abzeichnen.