Happy-Go-Lucky

Komödie | Großbritannien 2007 | 118 Minuten

Regie: Mike Leigh

Eine Londoner Grundschullehrerin Anfang 30 schlägt sich an der Seite ihrer Freundinnen mit unverbesserlichem Optimismus durch ihren nicht immer einfachen Alltag als berufstätige Frau. Vor allem an ihrem pedantischen, miesepetrigen Fahrlehrer droht ihre gutgelaunte Lebenshaltung zu scheitern. Mit einer brillanten Hauptdarstellerin, die die mitunter schrille, notorische Heiterkeit ihrer Figur subtil als schwierigen Balanceakt spürbar macht, entwirft Mike Leigh ein subtiles "Feel-Good-Movie" der abgründigen Art über die Möglichkeit, in einer von Ängsten und diversen privaten und politischen Krisen gebeutelten Zeit glücklich zu sein und nicht den Lebensmut zu verlieren. (Auch O.m.d.U.; Kinotipp der katholischen Filmkritik) - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
HAPPY-GO-LUCKY
Produktionsland
Großbritannien
Produktionsjahr
2007
Produktionsfirma
Ingenious Film Partners/Potboiler Prod./Summit Ent./UK Film Council/Film4
Regie
Mike Leigh
Buch
Mike Leigh
Kamera
Dick Pope
Musik
Gary Yershon
Schnitt
Jim Clark
Darsteller
Sally Hawkins (Poppy) · Alexis Zegerman (Zoe) · Andrea Riseborough (Dawn) · Sinéad Matthews (Alice) · Kate O'Flynn (Suzy)
Länge
118 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Komödie
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Tobis (1:2,35/16:9/Deutsch DD 5.1/Engl.)
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Ein in subtiles "Feel-Good-Movie" über die Möglichkeit, in einer von Ängsten und diversen privaten und politischen Krisen gebeutelten Zeit glücklich zu sein, festgemacht am Alltag einer Londoner Grundschullehrerin.

Diskussion
Mike Leighs schrill-romantische Tragikomödie erzählt aus dem Leben der Londoner Lehrerin Poppy, die mit Anfang 30 noch immer keine eigene Familie, ja nicht einmal einen Partner hat. Sie ist nicht unattraktiv, aber gewiss keine Hollywood-Schönheit. Insofern erfüllt sie Leighs cineastisches Credo, „außergewöhnliche Filme über das gewöhnliche Leben zu machen“. Der soziale Realismus, dem sich der britische Filmemacher schon vor 15 Jahren in „Nackt“ (fd 30 631), dem rauen Porträt eines Arbeitslosen, oder zuletzt im Abtreibungsdrama „Vera Drake“ (fd 36 898) verpflichtete, spiegelt sich auch in den gesellschaftlichen Verhältnissen wider, in denen Poppy verkehrt; irgendwo zwischen Unter- und Mittelschicht, umgeben von lauter „ganz normalen“, einfachen Leuten. Poppys Freundinnen sind so, wie man sich die jungen Frauen in einem Londoner Arbeiterviertel vorstellt: schlecht angezogen, partyerprobt, ein wenig ordinär, aber doch liebenswert. Allein: Jenseits dieser eher oberflächlichen Klassifizierungen entpuppt sich Poppy, um die sich alles, aber auch wirklich alles dreht, als durchaus ungewöhnlich; und zwar als so betont anders, dass sie mit ihrer exaltierten und gezwungen-ungezwungenen Art ganz schön auf die Nerven gehen kann. Vor allem, wenn einen das Gefühl beschleicht, hier werde mal wieder der ewige Jugendwahn zelebriert und eine naiv-verantwortungslose Haltung, die sich über alle „spießigen“ Verbindlichkeiten hysterisch kreischend hinwegsetzt, als einzig selig machendes Lebensmotto ausgegeben. Einmal mehr scheint sich da ein Autorenfilmer in der penetranten Abkehr von Hollywoods altväterlichem Kleinfamilienmodell zu gefallen; und das mit einer Arroganz, die sich auch Poppy zuschreiben ließe, was ihrer Figur eine ziemlich unangenehme esoterische Optimisten-Aura verliehe. Doch je länger „Happy-Go-Lucky“ andauert, desto klarer zeigt sich, dass ein derartiges (Vor-)Urteil Leighs Film nicht gerecht wird. Vielmehr zeigt sich, dass Poppy ihr eigenes Leben keineswegs so leichthin meistert, wie es anfangs den Anschein hat. In ihrer überdrehten Art schwingt auch Furcht mit, und immer wieder scheitert sie mit ihrem heiteren Naturell; besonders als sie sich vornimmt, den griesgrämigen, ordnungsfanatischen Fahrlehrer Scott mit ihrer Fröhlichkeit anzustecken, während der beim Versuch, ihr das Autofahren beizubringen, zunehmend verzweifelt. Vor allem aber meint es Leigh mit Poppy gar nicht so bierernst. Ähnlich wie Scott, ihr wutschäumender Gegenspieler mit den gefletschten schlechten Zähnen, für den die Verkehrsregeln eine Art göttliche Weltordnung repräsentieren, trägt auch Poppy Züge einer Karikatur. Als sie einmal mit einer Arbeitskollegin an einem Flamenco-Kurs teilnimmt, treffen mit der melodramatischen spanischen Tanzlehrerin und der kindischen Poppy zwei Temperamente aufeinander, die gegensätzlicher kaum sein könnten. Während die stolze Spanierin leidenschaftlich auf den Boden stampft und dabei „Das ist mein Platz!“ deklamiert, wirkt Poppy beim Versuch, das südländische Feuer in sich zu entfachen, wie die fröhliche kleine Schwester von „Mr. Bean“. Dies ist auch die komischste von vielen amüsanten Szenen des gutgelaunt nachdenklichen Films. Die tragische Komponente, die sich in einem unkontrollierten Gefühlsausbruch der Tanzlehrerin niederschlägt, bei dem sie ihre ungeschickten Schülerinnen selbstverräterisch dazu auffordert, sich einfach vorzustellen, „ihr Mann betrüge sie mit einer 22-jährigen Schwedin“, geht im munteren Klamauk beinahe unter. In den Begegnungen zwischen Poppy und Scott ist das anders, was auch daran liegen dürfte, dass Sally Hawkins, die auf der „Berlinale“ 2008 zu Recht als beste Darstellerin ausgezeichnet wurde, mit Eddie Marsan auf einen kongenialen Partner trifft. Dem Kontrollfreak, der Poppy mit Hilfe eines satanischen Mantras den Blick in den Rückspiegel eintrichtern will und jedes Mal „en-ra-ha“, „en-ra-ha“ schimpft, wenn Poppy den vorgesehenen Ablauf durchbricht, verleiht Marsan eine tiefreichende Schwermut, die ihn als einsamen, verbitterten Mensch ausweist. Poppy würde ihm gerne helfen, möchte ihn aufmuntern, ihm zeigen, dass die Welt nicht so schlecht ist. Tatsächlich löst sie etwas in ihm aus, was aber ein gefährliches Eigenleben annimmt. Scott verliebt sich in sie, und als er spürt, dass sie seine Gefühle nicht erwidert, bedroht er sie. Poppys Gutmenschentum stößt an reale, unüberwindliche Grenzen. Ohne Hoffnung aber entlässt Leigh den Zuschauer nicht aus dem Kino. In ihrer Schulklasse bekommt es Poppy mit einem gewalttätigen Jungen zu tun, einem kindlichen Spiegelbild Scotts. Gemeinsam mit einem Sozialarbeiter, in den sie sich verlieben wird, kümmert sie sich um das Sorgenkind. Für den jungen „Scott“ ist es offensichtlich noch nicht zu spät. Mehr gibt es für Leigh darüber nicht zu sagen; einem Sozialdrama weicht er ebenso aus wie einer Psychostudie. Vielmehr feiert er das Menschsein mit seinen Höhen und Tiefen, seinen albernen und erhabenen, romantischen und grotesken Seiten in einem wunderschönen, vielseitigen Film. „Bist du glücklich in deinem Leben?“, fragt Poppy den sympathischen, „ganz normalen“ Sozialarbeiter. „Das ist eine schwierige Frage“, entgegnet ihr der junge Mann, woraufhin Poppy zustimmend nickt: „Nicht wahr?“
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