Als in einem Hamburger Koli-Bakterien gefunden werden, begibt sich der Marketing-Chef einer Fast-Food-Kette auf eine Recherche-Reise in den amerikanischen Westen zu den Viehweiden und Schlachthöfen, wo er mit unhaltbaren Zuständen und illegal arbeitenden Mexikanern konfrontiert wird. Auch eine Öko-Gruppe begehrt gegen die Zustände auf, doch da die Proteste keine rechten Konsequenzen zeitigen, verpuffen die Aktionen. Weichgespülter Protest im Gewand eines publikumsnahen Mainstream-Films, der sich zu sehr in Widersprüchlichkeiten verstrickt und weitgehend in Hilflosigkeit endet.
- Ab 14.
Fast Food Nation
- | Großbritannien/USA 2006 | 113 Minuten
Regie: Richard Linklater
Kommentieren
Filmdaten
- Originaltitel
- FAST FOOD NATION
- Produktionsland
- Großbritannien/USA
- Produktionsjahr
- 2006
- Produktionsfirma
- Participant Prod./HanWay Films/RPC/BBC
- Regie
- Richard Linklater
- Buch
- Richard Linklater · Eric Schlosser
- Kamera
- Lee Daniel
- Musik
- Friends of Dean Martinez
- Schnitt
- Sandra Adair
- Darsteller
- Patricia Arquette (Cindy) · Bobby Cannavale (Mike) · Paul Dano (Brian) · Luis Guzmán (Benny) · Ethan Hawke (Pete)
- Länge
- 113 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 12; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Heimkino
Diskussion
Mit Richard Linklaters „Fast Food Nation“ ist die Aufklärungswelle über unser globales Ernährungssystem endlich auch spielfilmtauglich geworden und erreicht damit vielleicht eine Klientel, die „We Feed the World“ (fd 37 595) für etwas textlastig hielt, sich von „Super Size Me“ (fd 36 579) nicht den Appetit verderben ließ und von „Unser täglich Brot“ (fd 37 987) noch nicht einmal den Titel kennt. „Fast Food Nation“ bietet Aufklärung fürs Multiplex-Publikum. Ausgerechnet die Indie-Ikone Linklater („Dazed And Confused“, fd 31 152) hat Second-Order-Stars wie Ethan Hawke, Greg Kinnear, Bruce Willis, Patricia Arquette, Bobby Cannavale und die stets zornige Pop-Sängerin Avril Lavigne zusammengetrommelt, um dem Mainstream-Publikum die wirklich wahrste Wahrheit über Fast Food zu erzählen.
Nachdem Koli-Bakterien in einem der Super-Size-Fatburger „The Big One“ gefunden worden sind, macht sich der Burgerketten-Marketing-Chef Don Henderson auf eine Recherche-Reise zu den weit entfernten Viehweiden und Schlachthöfen des mittleren Westens. Was er dort erleben muss, macht ihn fassungs- und relativ schnell auch appetitlos. Hier trifft Henderson auf einen Regionalvertreter der Firma (cool gespielt von Bruce Willis), der das evolutionäre Prinzip des „Scheißefressens“ apologetisch vertritt und dabei noch nicht einmal zynisch, sondern nur sehr professionell und abgeklärt wirkt. Wenn sich der Film anschließend dem Schicksal mexikanischer Illegaler zuwendet und deren Arbeits- und Existenzbedingungen in der Nahrungsmittelindustrie schildert, werden Erinnerungen an Upton Sinclairs Aufklärungsroman „Der Dschungel“ wach, der bereits um 1900 die Existenzbedingungen der Arbeiter in den Chicagoer Schlachthöfen drastisch beschrieb. Wo Arbeiter erschöpft in den Fleischwolf fallen, bleibt eben auch schon mal die eine oder andere Koli-Bakterie hängen. Doch eine ethische Haltung, das merkt auch Henderson schnell, muss man sich ökonomisch leisten können. Auch die Diner-Bedienung Amber bräuchte das Geld, das sie an ihrem Platz in der Nahrungskette verdient, aber schließlich kündigt sie ihren Job und schließt sich einer Gruppe von Öko-Aktivisten an, die entschlossen sind, Widerstand gegen die Fleischindustrie zu leisten. Diese diskussionsfreudige Gruppe erhält ausgiebig Raum, um das Pro und Contra von Handeln oder Nicht-Handeln auszubreiten und streift dabei auch die naheliegenden Problemfelder „revolutionäre Ungeduld“ und „Gewalt gegen Sachen und Menschen“. Als die Gruppe nach langen Debatten aktiv werden will, muss sie erfahren, was der Satz „Nur die allerdümmsten Kälber wählen ihren Metzger selber!“ realiter impliziert. Die Rindviecher auf der Weide, wohlgenährt, erkennen nicht den Wert der Freiheit an sich und nähern sich so gewissermaßen der Position der illegal arbeitenden Mexikaner an. Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.
Weil sich aber auch Marketing-Chef Henderson trotz seiner Recherchen letztlich für seinen Lebensstandard, sein privates Glück und für ein umfassendes Nichtstun entscheidet, fällt Linklaters Aufklärungsintention, so sie denn überhaupt zugrunde lag, matt und kontraproduktiv aus. Dank der Probebohrungen auf allen Ebenen der Nahrungskette fällt das Bild, das „Fast Food Nation“ zeichnet, recht komplex und widersprüchlich aus, und mitunter hat es gar den Anschein, dass Linklaters Idealismus angesichts der disparaten Resultate seiner Recherche hilflos in Sarkasmus umschlägt. Das geschieht etwa in der satirischen Zeichnung der Öko-Aktivisten, während die grausamen Schlachthaus-Szenen unvermittelt einen ganz anderen, unangenehmen Ton anschlagen. Letztlich scheint das gesamte System zwar aus dem Ruder gelaufen, aber andererseits auch so perfekt, dass nicht ausgemacht scheint, wo Veränderung zu beginnen habe. Genau darin, in seiner Widersprüchlichkeit und Hilflosigkeit, in seinem Wissen um die richtigen Fragen und die fehlenden Antworten, ähnelt der doch manchmal unkonzentrierte und abschweifende Mainstream-Film letztlich doch Geyrhalters meisterlichem „Unser täglich Brot“, der ganz asketisch auf das Erkenntnisinteresse des Zuschauers setzt. Linklater verlässt sich dagegen eher altmodisch auf Ekel, Zorn und Frustration – vielleicht auf Konsumverzicht und Vegetarismus. Was das taugt, wird sich zeigen; außerhalb des Kinos.
Kommentar verfassen