Das Haus aus Sand und Nebel

Drama | USA 2003 | 126 Minuten

Regie: Vadim Perelman

Ein zwangsversteigertes Haus lässt zwei Menschen höchst unterschiedlicher Herkunft und Wesensart zu Rivalen werden, die ihren individuellen Traum vom Überleben verteidigen und dabei unmerklich in eine Katastrophe steuern. Der zutiefst ergreifende metaphorische Film ist mit der unausweichlichen Konsequenz einer antiken Tragödie inszeniert. Hervorragende Darsteller verleihen den Personen und Konflikten auch dann noch Glaubwürdigkeit, wenn die Handlung gelegentlich ein wenig konstruiert wirkt. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
HOUSE OF SAND AND FOG
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2003
Produktionsfirma
DreamWorks/Bisgrove Ent./Cobalt Media
Regie
Vadim Perelman
Buch
Vadim Perelman · Shawn Otto
Kamera
Roger Deakins · David Stockton
Musik
James Horner
Schnitt
Lisa Zeno Churgin
Darsteller
Jennifer Connelly (Kathy) · Ben Kingsley (Behrani) · Ron Eldard (Lester) · Frances Fisher (Connie Walsh) · Kim Dickens (Carol Burdon)
Länge
126 Minuten
Kinostart
17.02.2005
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Drama | Literaturverfilmung
Externe Links
IMDb | TMDB

Heimkino

Die Extras umfassen u.a. einen Audiokommentar des Regisseurs, des Hauptdarstellers Sir Ben Kingsley sowie des Autors der Romanvorlage, Andre Dubus III sowie ein Feature mit fünf im Film nicht verwendeten Szenen (11 Min.).

Verleih DVD
Universum (16:9, 1.78:1, DD5.1 engl./dt.)
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Diskussion
Wer Filme mit Happy End bevorzugt, macht besser einen weiten Bogen um „House of Sand and Fog“. Vadim Perelmans Erstlingsfilm erzählt eine Geschichte, die in kleinen, behutsamen Schritten auf ein katastrophales Ende zusteuert, das die überwältigende Kraft und schicksalhafte Konsequenz einer griechischen Tragödie besitzt. Es ist kein effektversessenes Hollywood-Drama, das sich hier abspielt, sondern eine stille, sich langsam zuspitzende Geschichte über konträre Lebensvorstellungen und unvereinbare Träume, die ebenso unausweichlich in die Zerstörung aller Hoffnungen führt wie der in der Literaturgeschichte viel variierte Mythos der Antigone. Der zunächst harmlos beschreibende Titel gewinnt im Verlauf des Films immer mehr symbolhafte Bedeutung: Wünsche, die flüchtig sind wie der verwehte Nebel, und Träume, die auf Sand gebaut wurden. Das Haus, von dem die Rede ist, steht irgendwo nördlich von San Francisco. Es ist ein bescheidenes altes Haus, das keinen Immobilienagenten in Verzückung versetzen würde und das auch gar nicht auf dem Markt wäre, hätte seine Eigentümerin nicht einen dummen kleinen Fehler begangen. Kathy Nicolo hat sich nach dem Scheitern ihrer Ehe in die Abhängigkeit von Drogen und Alkohol treiben lassen. Obwohl sie inzwischen mit gelegentlichen Jobs als Haushaltshilfe ihren Lebensunterhalt zu bestreiten versucht, verfällt sie doch immer wieder in Lethargie, kapselt sich von ihrer Umwelt ab und verbringt oft ganze Tage im Bett. Die Post häuft sich ungeöffnet hinter ihrer Eingangstür und wird ihr unvermutet zum Verhängnis. In dem Berg von Briefen liegt nämlich auch ein Schriftstück der örtlichen Behörde über angeblich rückständige Steuern. Als eines Tages die Zwangsversteigerung ihres Hauses droht, ist es für Kathy bereits zu spät, den Mühlen der Bürokratie zu entgehen. Was für Kathy das größte Unglück bedeutet, das ihr in ihrer trostlosen Situation noch passieren kann, scheint für den aus seinem Heimatland geflüchteten iranischen Oberst Massoud Amir Behrani die Chance zu sein, auf die er seit seiner Ankunft im gelobten Land Amerika vergeblich gewartet hat: sich und seiner Familie wieder zu Vermögen, Respekt und Ansehen zu verhelfen. Behrani ist ein intelligenter, beharrlicher und stolzer Mann. Mit dem restlichen Geld, das er nach dem Sturz des Schahs aus Persien rettete, baute er eine Scheinwelt auf, damit zumindest seine Tochter eine gute Partie machen kann. Niemand weiß, dass er insgeheim beim Straßenbau schuftet und als Verkäufer in einem kleinen Laden ein kärgliches Einkommen verdient. Kurz entschlossen greift Behrani bei der Auktion des alten Hauses zu, wobei er richtig kalkuliert, dass das Objekt nach einigen geschickten Renovierungen für das Vierfache des Kaufpreises zu veräußern sein wird. Kathy klammert sich verzweifelt an die Hoffnung, mit Hilfe einer Anwältin ihr Haus zurückzubekommen. Behrani zieht unterdessen mit Frau und Sohn in das „Anlageobjekt“, um seine finanziellen Belastungen zu verringern und potenziellen Käufern das Haus begehrlicher erscheinen zu lassen. Zwei Menschen, die sich wenige Tage zuvor noch gar nicht kannten, die in Herkunft und Wesensart kaum verschiedener sein könnten, werden durch eine Laune des Schicksals zu Gegnern, die ihren individuellen Traum vom Leben verteidigen müssen. Unvermeidlich geraten auch weitere Menschen in den Strudel des sich zuspitzenden Konflikts. Sie sind allesamt getrieben von dem Willen, sich gegen drohendes Unrecht zu behaupten. Ihre einzige Schuld besteht darin, dass sie blind sind für die Argumente und Rechte des Anderen. Die Tragödie, die sich aus solch banalen Anfängen entwickelt, demonstriert, wie auch der Gutwillige scheitern kann, wenn er nichts anderes im Blickfeld hat als das eigene Wohlergehen. „Die Story handelt in ihrem Kern vom Krieg“, sagt Andre Dubus, der Autor des zugrunde liegenden Romans. Er betrachte sie als eine Metapher für größere Konflikte wie die Auseinandersetzung zwischen Israelis und Palästinensern: „Jeder ist zu schrecklichen Taten fähig.“ Der Exil-Ukrainer Vadim Perelman hat die Geschichte in seiner Inszenierung deutlich abgesetzt von Provokation und Schockwirkung, auf die andere Hollywood-Regisseure wahrscheinlich gebaut hätten. Sein Stil ist bedächtig, in vielen Sequenzen sogar poetisch, verteilt trotz aller insistierenden Personennähe keine Sympathien und Antipathien, lässt den Schauspielern Raum, Figuren zu entwerfen, an denen der Zuschauer Anteil nimmt, auch wenn er nicht alle Verhaltensweisen gut heißen kann. Ben Kingsley, Jennifer Connelly und ebenso die Darsteller kleinerer, aber eminent wichtiger Nebenrollen sind von so großer Überzeugungskraft, dass jeder von ihnen auch dann noch gegenwärtig zu sein scheint, wenn er nicht auf der Leinwand zu sehen ist. Die Schauspieler sind es auch, die mit ihrer Glaubwürdigkeit dem Fluss der Handlung über einige allzu konstruiert wirkende Momente hinüber helfen. Sentimentalität gibt es nicht, weshalb die tragische Verkettung der Ereignisse umso bestürzender wirkt. „House of Sand and Fog“ ist ein Film, der einen noch lange beschäftigt, nachdem man das Kino verlassen hat.
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