Balken und Taue knarren im Rhythmus der Wellen, die Mannschaft starrt mit Bangen aufs Meer, auf dem am helllichten Tag nichts zu sehen ist außer dichtem Nebel – schon mit den ersten Bildern lässt Peter Weirs Seefahrerdrama tief eintauchen in eine vergangene Welt aus Holz, Wasser und Ungewissheit. Plötzlich werden Kanonen abgefeuert, weit weg zwar, aber Kapitän Jack Aubrey weiß sofort, was zu tun ist: die Köpfe einziehen. Trotzdem entsteht großer Schaden an Mensch und Material. Infolgedessen entwickelt sich das unsichtbare Schiff fortan zur fixen Idee des Kommandeurs. Englands Krieg gegen Napoleons Truppen wird im Jahr 1805 vor allem auf See ausgetragen, also muss das Kriegsschiff „Surprise“, wenngleich viel kleiner als das französische Gegenüber, den Feind jagen, um jeden Preis, wie Aubrey findet. Dass diese Jagd um den halben Globus führt, über Monate, unter schweren Belastungen der Mannschaft, schreckt ihn nicht.
Die Unbedingtheit, mit der die Hauptfigur ihren einmal eingeschlagenen Weg verfolgt, gegen alle Vorbehalte seiner Vertrauten, erinnert an die Jagd nach dem weißen Wal bei Herman Melville. Auch in „Moby Dick“ begleiten ausgiebige Schilderungen von Stürmen und Flauten, Enge und Aggressivität das Geschehen. Aber Jack Aubrey ist kein Kapitän Ahab, sondern ein ebenso weiser wie wagemutiger Anführer, gleichermaßen musikalisch, psychologisch und kriegsstrategisch begabt, hoch angesehen bei der Besatzung und doch nicht ungebrochen im Charakter – kurz: der perfekte (Hollywood-)Held. Die Figur basiert nicht auf historischer, sondern auf zeitgenössischer Literatur: Der US-Schriftsteller Patrick O’Brian hat bis jetzt 20 Bände mit Geschichten um Jack Aubrey heraus gebracht, von denen Peter Weir und Produzent Samuel Goldwyn jr. zwei für ihr episches Drama nutzten. Es beweist in allen filmischen Belangen, wozu Hollywood imstande ist, wenn man die Traumfabrik sinnvoll einsetzt. Seine herausragende Fähigkeit, deren Möglichkeiten für sich in Anspruch zu nehmen, hat Weir schon oft gezeigt in seinen Filmen, die stets zwischen der Innen- und der Außenwelt seiner Hauptfiguren zu vermitteln suchen – zuletzt in „Fearless – Jenseits der Angst“ (fd 30 664). Auch diesmal bilden die handwerklich herausragenden Facetten des Films, einschließlich der Detailtreue der Requisite, der dezent untermalenden Kammermusik und dem wohl packendsten Kinoseesturm aller Zeiten, nicht mehr und nicht weniger als notwendige Wegmarken für den Fortlauf der Geschichte. Vor allem die fantastischen Bilder von Weirs Wegbegleiter Russell Boyd ziehen in ihren Bann, gerade weil sie kaum digital erzeugt, sondern teils auf See auf einem alten Segler, teils im Becken von James Camerons „Titanic“ in Mexiko aufgenommen wurden – wobei das Deck der letzteren im Vergleich wie ein brachial ausgeleuchtetes Fernsehtraumschiff aussieht. Auch den Schauplatz Galapagos-Inseln suchte die Crew, angeblich als erstes Spielfilmteam, tatsächlich auf, und wirklich lässt sich nachempfinden, wie fremd diese Welt, die im Film als friedlicher Gegenentwurf zum martialischen Vorgehen der „Surprise“ steht, den Besuchern vor 200 Jahren vorgekommen sein muss.
Das Pendant zum mal milden und selbstironischen, mal autoritären Kapitän bildet der Schiffsarzt Stephen Maturin, ein ernster Naturliebhaber und Pazifist. Ihm kommt die Rolle des liberalen Widerparts zu, des Mahners und Zweiflers an der Seite der Macht. Die Wortduelle zwischen Aubrey und Maturin schaffen, wie im literarischen Vorbild, den Nährboden, auf dem die Handlung gedeiht, und die Besetzung mit Russell Crowe („Gladiator“, fd 34 276) und Paul Bettany, der bisher Clowns („Ritter aus Leidenschaft“, fd 35 023) ebenso wie Killer („Gangster No. 1“, fd 34 669) darstellte, überzeugt derart, dass Produzent Goldwyn schon an ein Sequel denken mag. Das aber würde den grandiosen Eindruck dieses Films sicher nur verwässern.