Der 1988 geborene kanadische Schauspieler Michael Cera wurde ab 2003 als schüchterner, ungeschickter Jugendlicher in der Serie „Arrested Development“ bekannt und wurde mit Variationen dieser Rolle in Filmen wie „Superbad“, „Juno“ oder „Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt“ zu einer Ikone der Jugendlichkeit. Auch seine Auftritte als Erwachsener haben sich nicht vom Bild des Pubertierenden gelöst, verleihen Filmen wie aktuell „The Adults“ aber auch einen speziellen Reiz. Eine Hommage an einen persönlichen Favoriten.
Man kann sich seine Jugendhelden nicht aussuchen. Man glaubt zwar, dass man bewusste Entscheidungen trifft, wem man nacheifert oder wen man bewundert, die Wahrheit aber ist, dass man ganz und gar machtlos ist, wenn die Hormone ihre irrationalen Vorlieben diktieren. Die widersinnigen Spleens im Kino, der sich aus falschen und richtigen Erinnerungen, persönlichen Erlebnissen, kleinen unvergessenen Szenen oder ästhetischen Vorlieben zusammensetzende Geschmack wird zu selten als solcher wahrgenommen. Alles möchte immer erklärt und eingeordnet werden, man fühlt sich besser, wenn man weiß, warum man etwas mag oder nicht. Aber es ist nicht immer so einfach. Meine Begeisterung für den alles in allem durchschnittlichen kanadischen Schauspieler, Gelegenheitsmusiker und Geek-Impersonator Michael Cera war oder ist ein solches Beispiel für das, was einem das Kino aufdrängt, ohne dass man weiß, weshalb. Es gibt eine Sympathie, als würde man einen Menschen tatsächlich treffen. Ich freue mich über jeden Film, in dem er auftaucht, aber ich kann nicht sagen, dass ich die Filme besonders schätze. Nun habe ich mich bereiterklärt, einen Text über ihn zu schreiben, und mir fällt auf, dass ich gar nicht viel zu sagen habe, außer dass ich ihn bis heute ganz großartig finde vor der Kamera.
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Die Unsicherheiten der Jugend
Cera,
dessen Name im Lateinischen mit einer gewissen Unbeweglichkeit assoziiert
werden kann, strahlt ein Unbehagen aus, dass sich nie sicher zu sein scheint,
ob gleich alles zusammenbricht oder ob im Grunde doch alles in Ordnung ist. Er
scheint beständig zwischen möglicher Panik und Herzensgüte zu schwimmen. In
seinen Gesten, seiner Art zu gehen und zu sprechen, spiegelten sich lange Zeit
die Unsicherheiten meiner eigenen Jugend. Wie kein anderer Schauspieler
verstand der junge Cera zu zeigen, was es bedeutet, wenn man sich nicht sicher
ist, ob man einen Witz versteht, aber so tut, als würde man verstehen. Man
lacht laut mit und im Lachen überprüft man noch, ob man lachen soll. Er
verkörperte denjenigen, der dazugehören will, obwohl er lieber ganz woanders
wäre. Unvergleichlich sein latentes Erschrecken über den Missklang der eigenen
Stimme. Aus jeder seiner Bewegungen sprach eine mögliche Flucht, das Begehren,
dazuzugehören, zu lieben, geliebt zu werden, aber auch gar nicht da zu sein, am
liebsten zu verschwinden.
Man kann sagen, dass ich im richtigen Alter war, als Greg Mottolas „Superbad“ die Runden machte. Die längst verkultete Teenagerkomödie, die sich wie so viele dieses Genres um das erste Mal von einigen dafür ungeeigneten Jungs dreht, drängte sich aufgrund ihrer ausgewogenen Mischung aus Blödelelementen und emotionaler Aufrichtigkeit mannigfach auf, wenn es darum ging, noch einen Film zu sehen. Spät in der Nacht nach Partys, an gelangweilten Nachmittagen, in Freistunden, bei Dates oder wenn ich krank das Bett hüten musste. Der Film gilt als Beginn der großen Karrieren von Emma Stone oder Jonah Hill, viele erinnern sich an Christopher Mintz-Plasses McLovin, aber mich faszinierte hauptsächlich die Art und Weise, in der Michael Ceras Evan seinen Schulranzen trug. Endlich sah ich in einem Film ein Verhalten, dass ich aus dem stumpfen Alltag kannte.
Die Hände am Rucksack
Cera, der diese sehr spezifische Form ungeschickter Männlichkeit über zahlreiche Filme und Serien perfektionierte, klammert sich in fast jeder Szene des Films mit beiden Händen an die Riemen seines Rucksacks und zieht seine Arme ungelenk an den Körper, sodass sich seine schmale Brust nach vorne wölbt. Das ist eine dieser Haltungen, die sich äußert angenehm für denjenigen anfühlen, der sie einnimmt, die allerdings äußerst unelegant aussehen. Die Komik entsteht dann, wenn Cera alles andere als unelegant aussehen möchte und sich trotzdem an den Rucksack klammert. Zum Beispiel, wenn er verliebt ist und mit der Frau seines Herzens spricht. Dann erscheint dieser Griff wie eine Übersprungshandlung, und das Festhalten lädt sich metaphorisch auf. Ich denke, es ist nicht übertrieben zu behaupten, dass man eine ganze Jugend anhand einer solchen Haltung erzählen kann. Mehr noch führte mir Cera vor, was ich unbemerkt seit Jahren selbst tat, war ich doch selbst ein solcher Riemenhalter. Endlich, dachte ich mir, hat mich jemand verstanden. Und das nur, weil er den Rucksack so trug wie ich.
Die
Rolle des schüchternen, tollpatschigen, übereifrigen Jungen mit dem Herz am
rechten Fleck wurde Cera bereits in der Serie „Arrested Development“ (2003-05, 2013, 2018-19) auf den Leib geschrieben, und lange
Zeit spielte er nur Varianten dieser männlich kodierten Neurotik, die stets an
den falschen Stellen lacht und das sofort zu überspielen versucht. In der Serie
kombiniert Cera ganz eindrücklich diese zwei Stränge, die durch die meisten
seiner Figuren laufen. Die völlige Lächerlichkeit des in seine Cousine
verknallten Jungen, der den Frozen-Banana-Stand der Familie betreibt und die
emotionale Erdung in der Liebe zu seinem alleinerziehenden Vater.
Seine lächerlichen Handlungen beruhen auf alles andere als lächerlichen Gründen. Er wolle nur das Richtige tun, sagt er mehrfach in der Serie, während er meist das Falsche tut. Ich habe noch nicht erwähnt, dass das alles herausragend komisch ist. Cera mag nicht besonders vielseitig sein, aber er hat ein fantastisches Timing. Das kann man beispielsweise in der misslungenen Teenager-Sexkomödie „Extreme Movie“ (2008) sehen, in der er sich online zu einem Verbrecher-Rollenspiel mit einer Frau verabredet, nur um in das falsche Haus einzubrechen. Ceras Spiel mit dem plötzlichen Selbstvertrauen, der Angst und dem Begreifen, dass nicht alles nach Plan läuft, ist einmalig.
Steifheit nahe am Slapstick
In
„Juno“ (2007) oder
„Nick und Norah - Soundtrack einer Nacht“ (2008) zeigte sich bereits früh, dass Ceras nah am
Slapstick wandelnde Steifheit auch in ernstgemeintere Gefühle führen kann. Mir
war das natürlich immer klar, schließlich kannte ich diese Gleichzeitigkeit aus
alberner Peinlichkeit und tiefen, tiefen, tiefen romantischen Gefühlen nur
allzu gut. Der vielleicht beste Film in Bezug auf diese, so denke ich,
weitverbreitete Schizophrenie der Jugend, ist „Youth in Revolt“ von Miguel Arteta. Darin spielt
Cera, damals 21 Jahre alt, den 16-jährigen Nick Twisp, der sich im Sommerurlaub in die
aufregende und unerreicht „erwachsene“ Sheeni Saunders verliebt. Kurzerhand
erschafft der Junge ein Bad-Boy-Alter-Ego, den stets rauchenden François
Dillinger. Cera spielt beide Seiten dieser Persönlichkeit und buchstabiert
damit aus, was eigentlich in all seinen Figuren angelegt ist. Sein Selbstbild
und das Bild, das sich zeigt, sind zwei unvereinbare Elemente eines sich
entwickelnden Körpers.
In Edgar Wrights „Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt“ (2010) wurde dann klar, dass diese Figur längst ein Superheld ist. In jedem „Awkward Geek“ steckt ein Actionheld, in jedem Stottern eine Liebeserklärung, in jedem Erröten die pure Selbstsicherheit.
Tatsächlich hat Cera keine Probleme damit, zwischen dem Sympathischen und Untragbaren zu changieren. In der mäandernden Rauscherfahrung „Crystal Fairy“ (2013) spielt er einen nervigen US-Amerikaner in Chile auf der Suche nach dem nächsten Drogentrip. Doch als würde die Präsenz Ceras schon das Genre definieren, schält sich auch aus diesem, teilweise improvisierten Umherirren des Werks irgendwann ein Coming-of-Age-Film, einer, in dem es darum geht, zu erkennen, dass man nicht allein ist auf der Welt oder eben doch. Die Frage, die sich mir und Cera unentwegt stellte, war nur, wie um alles in der Welt man jemals aus dieser Endlosschleife unreifer Entscheidungen entkommen könnte. Zwar stand für viele seiner Figuren am Ende der Filme die übliche Erkenntnis des Coming-of-Age, aber im nächsten Film ging es ja wieder von vorne los. Überdies war Cera und seinem Management klar, dass es irgendwann schwer werden würde mit den Teenagerrollen.
Spannung in der anhaltenden Pubertät
Eigentlich kein Problem, es gibt schließlich genug Menschen (Männer), die für lange, lange Zeit in einem Zustand verharren, den man trotz ihres sich verändernden Aussehens als anhaltende Pubertät bezeichnen muss. Tatsächlich spiegelt sich etwas davon in Dustin Guy Defas „Person to Person“ (2017), in dem Cera einen Journalisten spielt, der die auszubildende Mitarbeiterin mit Aufnahmen seiner Heavy-Metal-Hobbyband beeindrucken möchte. In Defas jüngstem Film „The Adults“ (2023) ist es auch diese Spannung zwischen anhaltender Jugend und dem Erwachsenwerden, die Ceras Figur beschreibt. Auch in der Serie „Life & Beth“ (2022) von und mit Amy Schumer wirkt Cera erwachsener, ohne dabei seine innere Jugend gänzlich verloren zu haben. Er zeigt damit etwas, was längst zu einem gesellschaftlichen Problem wurde. Die fehlende Reife vieler Vertreter eines ganzen Geschlechts. Seine Figuren ergießen sich zunehmend in Selbstmitleid und einem verzweifelten Trotz.
Ich gebe zu, dass ich mit diesem Cera weniger anzufangen weiß, auch wenn er schauspielerisch mehr überzeugt. Ganz präzise beobachtet er anhand seiner Figuren, wie ein Älterwerden innerlich scheitern kann. Seine Figuren haben Gefühle und Begehren, die jünger sind als ihre Körper. Man darf gespannt sein, was er in zwanzig Jahren für Rollen spielt.
In der Zwischenzeit realisierte Cera auch selbst Kurzfilme, veröffentlichte ein Album und übernahm einige Sprechrollen in Animationen. Für mich bleibt er aber immer der Junge, der auch ich einmal zu sein glaubte. Der Junge, der sich am eigenen Schulranzen festhielt und nicht wusste, was er sagen sollte und was nicht.