Drama | Deutschland 2022 | 112 Minuten

Regie: Jöns Jönsson

Ein Mann um die 30, der als Museumswärter arbeitet, aber angeblich adeliger Herkunft und ein unterhaltsam-gebildeter Zeitgenosse ist, lädt Freunde und einen Kollegen zu einem Segeltörn ein. Als der Ausflug nach einem unvorhergesehenen Vorfall nicht stattfindet, wird klar, dass der scheinbar so souveräne junge Mann anderen etwas vorspielt. Der originelle Film handelt von Schein und Sein, Betrug und mangelndem Gewissen und stellt grundlegende Fragen nach Moral, Ethik und sozialer Fassade. Der Hauptdarsteller glänzt als ambivalenter Protagonist und hält Figuren und Zuschauern einen Spiegel vor. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2022
Produktionsfirma
Bon Voyage Films
Regie
Jöns Jönsson
Buch
Jöns Jönsson
Kamera
Johannes Louis
Schnitt
Stefan Oliveira-Pita
Darsteller
Moritz von Treuenfels (Julius) · Thomas Schubert (Erik) · Ricarda Seifried (Marie) · Marita Breuer (Angela) · Rolf Kanies (Wolfgang)
Länge
112 Minuten
Kinostart
30.06.2022
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Drama
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Originelles Drama über einen scheinbar souveränen und weltgewandten jungen Mann, der nicht der ist, der er zu sein vorgibt.

Diskussion

Laut Wörterbuch bedeutet das Wort Axiom eine gültige Wahrheit, die keines Beweises bedarf, ein Grundprinzip. Julius, die Hauptfigur des gleichnamigen Films, nimmt viele Axiome für sich in Anspruch, denn schließlich ist Wahrheit ein dehnbarer Begriff. Er arbeitet als Museumswärter und ist bei seinen Kollegen beliebt. Generell ist Julius (Moritz von Treuenfels) ein sehr eloquenter und belesener Zeitgenosse, der in Soziologie, Politik und Philosophie mitreden kann. Außerdem erzählt er gerne Anekdoten und weiß seine Pointen sicher zu setzen.

Als er mit Freunden einen Segeltörn auf dem Boot seiner Eltern plant, lädt er spontan auch den neuen Mitarbeiter Erik mit ein. Mütterlicherseits sei er adlig, sagt Julius, und beschreibt Erik die Freuden des Segelns. Dass so einer wie er so einen banalen Job hat, macht irgendwie stutzig, aber wer weiß schon, welche Herausforderung er damit meistern will. Am Parkplatz des Sees angekommen, muss die Gruppe noch die Schwimmwesten kaufen, die für den Aufenthalt an Bord Pflicht sind. Zum Entsetzen aller erleidet Julius in dem Laden für Segelzubehör einen epileptischen Anfall – und der Ausflug auf dem Wasser fällt aus.

Die Kunst des fantasievollen Erfindens

Nicht zum ersten Mal, wie man beiläufig erfährt. Aus seltsamen Zufällen heraus war der Bootsausflug auch früher schon gescheitert. Was man allmählich vermutet, wird zur Gewissheit, als Julius von seiner „adeligen“ Mutter im Krankenhaus abgeholt wird. Julius ist nicht der, der zu sein er vorgibt, sondern ein notorischer Lügner. Er treibt die Kunst des Erfindens so weit, dass man sich bei keiner seiner Aussagen sicher sein kann, ob sie erdacht oder wahr ist. Als er seiner Mutter erzählt, dass er in einer Beziehung zu einer Opernsängerin sei, meint man ein Lügen-Déjà-Vu zu erleben. Doch diese Geschichte stimmt.

Andere seiner Geschichten kupfert er entweder bei anderen ab oder erfindet sie. Sie überbieten sich geradezu an Originalität und Witz. Entweder erzählt er unerhörte Begebenheiten, etwa von einem splitternackten Mann am helllichten Tag auf der Straße. Oder er inszeniert sich als Held von Reisen an entlegene Orte wie Südostasien, wobei er nicht mit Selbstironie spart und sich als Mann von Welt gibt. Durch seine scheinbar souveräne Art kommt er mit seinen Lügenmärchen fast immer durch. Dem Dreisten liegt die Welt zu Füßen, weil andere sich an die Regeln halten und das auch von ihm annehmen.

„Axiom“ ist ein höchst origineller Film mit einem höchst originellen Protagonisten. Seine Unverfrorenheit, aber auch sein Charme – beides schließt sich nicht aus – geben Anlass zu fundamentalen Fragen über Ethik, Anstand und die ungeschriebenen Regeln menschlichen Miteinanders. Bis zu welchem Punkt kann man Menschen hintergehen? Und kann man sein Gewissen wirklich einfach ausschalten? Wie viel Energie und Kraft kostet es, ein Leben des permanenten Scheins zu führen?

Die Zuschauer werden zu Komplizen

Regisseur Jöns Jönsson geht äußerst clever vor. Sein charismatischer Held spielt ein gefährliches Spiel, da er ständig riskieren muss, aufzufliegen. Aber dadurch macht die Inszenierung die Zuschauer zu Komplizen. Es entsteht eine beträchtliche, leicht perverse Spannung, weil man mit dem Helden mitfiebert und ihm die Entlarvung ersparen will.

Aber ist Julius tatsächlich die schlimmste Figur im Film? Durchschauen andere, noch Ausgebufftere ihn womöglich und drehen den Spieß um? Die Stärke des Films besteht darin, solche Zweifel und Fragen in der Schwebe zu halten und eine Auflösung zu verschieben. Dabei hinterfragt man sich auch selbst und sinniert über die Verhältnismäßigkeit von Wahrheit und Lüge. Bis wohin ist eine Notlüge in Ordnung und ab wann wird ihre Häufung verwerflich?

Tatsächlich weiß man nie, was in Julius tatsächlich vorgeht. Hauptdarsteller Moritz von Treuenfels gibt ihn hervorragend als ambivalenten Hochstapler, mal eitel, mal sympathisch und unterschwellig stets auf der Hut. Zuweilen reagiert Julius unsouverän und defensiv, sodass man davor zurückschreckt, ihn vollständig zu verurteilen: Mit dem, was toxisch, böswillig oder krankhaft ist an seinen Verhaltensweisen, hält er womöglich seinen Mitmenschen ja nur einen Spiegel vor.

Wie schwer wiegt auf Täuschung basierender Missbrauch, wenn man sich nicht auf Kosten anderer bereichert? Rein juristisch begeht Julius keine Straftaten. Er erweist sich als Meister des Opportunismus und hat für jede Klientel eine geeignete Legende parat. So passt er sich geschmeidig an soziale Milieus an und entlarvt gleichzeitig die Scheinheiligkeit der scheinbar liberalen Wohlhabenden. Andererseits handelt der Film auch von Sozialscham, sozialen Gräben und der Verleugnung eigener Wurzeln und zeigt: Auch Lügen können Wahrheiten zutage fördern.

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