Good Morning Karachi

- | Deutschland/Pakistan/Großbritannien 2012 | 86 (TV 77) Minuten

Regie: Sabiha Sumar

Eine junge Pakistani aus einfachen Verhältnissen träumt von einer Karriere als Model, was ihre Mutter und ihr Verlobter missbilligen. Vor dem Hintergrund der Rückkehr und Ermordung von Benazir Bhutto erzählt der Film die Geschichte einer Emanzipation und skizziert zugleich ein Land, das heillos zwischen Tradition und Moderne zerrissen ist. Klar und einfühlsam erzählt sowie ausdrucksstark fotografiert, mangelt es ihm freilich gelegentlich an darstellerischer Tiefe. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
RAFINA
Produktionsland
Deutschland/Pakistan/Großbritannien
Produktionsjahr
2012
Produktionsfirma
Vidhi Film Ltd./Blue Elephant Films/Sarah Radclyffe Prod./ZDF - Das kleine Fernsehspiel/ARTE G.E.I.E
Regie
Sabiha Sumar
Buch
Malia Scotch Marmo · Sabiha Sumar · Samhita Arni
Kamera
M. Claire Pijman
Musik
Robert Logan
Schnitt
Maurice Bedaux · Rob Das · Bart van den Broek
Darsteller
Amna Ilyas (Rafina) · Beo Raana Zafar (Rosie) · Yasir Aqueel (Arif) · Saba Hamid (Ammi) · Atta Yaqub (Jamal)
Länge
86 (TV 77) Minuten
Kinostart
08.05.2014
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
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Diskussion
Arif ist ein junger, moderner Pakistani, der Benazir Bhuttos Wahlkampf unterstützt und seiner Freundin Rafina das Autofahren beibringt. Als Rafina aber seine Verlobte ist und arbeiten möchte, sagt er zu ihr: „Du weißt doch gar nicht, was gut für Dich ist. Jede Frau träumt doch davon, zu heiraten und eine Familie zu gründen. Du begreifst das einfach nicht.“ Pakistan ist ein Land voller Widersprüche. Ausgerechnet Modeln ist hier ein Weg der Emanzipation. Eine Befreiung von der Vorstellung der Männer (und Mütter), dass eine Frau nicht zu arbeiten habe, vor allem dann nicht, wenn sie verheiratet ist. Aber auch eine Loslösung aus der Herrschaft fundamentalistischer Mullahs, für die Models lauter „amerikanische Huren“ sind. „Good Morning Karachi“ spielt Ende 2007, in den wenigen Monaten zwischen Benazir Bhuttos Rückkehr aus dem Exil und dem Attentat, dem die Politikerin am 27. Dezember 2007 zum Opfer fiel. Die fiktive Radiosendung „Good Morning Karachi“, die hier immer wieder zu hören ist, grundiert und kommentiert mit ihren Berichten über Anschläge oder Bilderverbrennungen durch reaktionäre Mobs, aber auch über Modeschauen, die aus Sicherheitsgründen an geheimen Orten stattfinden, das politische und gesellschaftliche Klima. Rafina lebt mit ihrer Mutter und ihrem jüngeren Bruder in sehr einfachen Verhältnissen in Karachi. Sie träumt davon, einer Arbeit nachzugehen, was ihre Mutter missbilligt. Durch Vermittlung von Rosie, einer Nachbarin und guten Freundin der Familie, gelingt ihr schließlich der Zutritt zum „Radiance“, einem Schönheitssalon für wohlhabende, westlich orientierte Pakistani. Parallel dazu wird von den Müttern die Verlobung zwischen Rosies Sohn Arif und Rafina beschlossen – durchaus eine Verbindung aus Liebe. Da Rafina hübsch und groß gewachsen ist, wird sie von Jamal, dem Besitzer des „Radiance“, schnell entdeckt. Das erste Foto-Shooting folgt, für die Familie ist das gute Honorar ein Segen. Doch wenig später wird der Bhutto-Anhänger Arif von der Polizei verschleppt, und seine Mutter Rosie bricht zusammen. Für Rafina steht derweil der erste Laufstegjob bevor; sie muss sich entscheiden, zwischen ihrem alten und ihrem neuen Leben. Diese Unvereinbarkeit widerstrebender Gefühle und Haltungen, das Aufeinanderprallen von Gegensätzen ist das Thema des Films. Seine Stärke ist es, dass er mehr als eine Haltung zulässt, ohne Rafinas Emanzipationsbestrebungen darüber je in Frage zu stellen. Auf der sprachlichen Ebene schlägt sich dieses Gegen- und Miteinander ebenfalls nieder, im ständigen spannenden Wechsel zwischen Englisch und der Nationalsprache Urdu. Ohnehin sieht und hört man dem Film an, dass die 1961 in Karachi geborene Regisseurin Sabiha Sumar weiß, wovon sie erzählt. Studiert hat sie zwar in den USA, aber schon für ihren ersten Spielfilm „Silent Waters“ (fd 36 652), der 2003 in Locarno den Golden Leoparden gewann, kehrte sie nach Pakistan zurück. Das Lebensgefühl der Millionenmetropole im Süden des Landes fängt Sumar vor allem in vielen Straßenszenen ein, im Gewimmel der Autos, Motorroller und Tuk-Tuks, in einem Licht, vor dem stets ein leicht staubiger Filter zu liegen scheint. Die oft sehr schönen, aber nicht verklärenden Bilder von M. Claire Pijman tragen viel zum positiven Gesamteindruck bei, ebenso wie der unaufgeregte Erzählton des Films. Aber es stimmt auch die Basis, das nach einer Novelle von Shandana Minhas entwickelte Drehbuch, das den Kampf einer jungen Frau um Verwirklichung ihres Traums als universellen Konflikt ebenso klar wie berührend erzählt. Einzig schauspielerisch mangelt es an Tiefe und Ausdruck: Amna Ilyas schlägt sich als Rafina durchaus wacker, aber es fehlt ihr an Facetten und Nuancen. Auch der von Atta Yaqub gespielte Jamal bleibt glatt und eindimensional. Mit tollem Drive agiert dagegen Beo Raana Zafar als Rosie, und auch Saba Hamid als Rafinas verhärmte Mutter sowie Yasir Aqueel als innerlich zerquälter Arif vermögen zu überzeugen.
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